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Corona im Herbst - "Im Zweifel für Vitamin D"


Foto: Collins Photography / stock.adobe.com

HANNOVER/CELLE. Während der Corona-Pandemie wurde viel gestritten – über Maßnahmen, Masken, Medikamente und über Vitamin D. Wundermittel für die einen, völlig nutzlos für die anderen. Dazwischen gab es zumindest in der öffentlichen Debatte nicht viel. Doch jetzt machen Endokrinologen klar: Vitamin D trage dazu bei, das Immunsystem für den Kampf gegen Infektionskrankheiten zu stärken, und das gelte auch für Covid-19. Die Hormon-Experten empfehlen deshalb, im Herbst und Winter einem Vitamin-D-Mangel durch die Einnahme entsprechender Nahrungsergänzungsmittel entgegenzuwirken.

Ist von Vitamin D die Rede, geht es in der Regel um Vitamin D3, das häufig auch als „Sonnenvitamin“ bezeichnet wird. Denn der menschliche Körper kann den Großteil seines täglichen Bedarfs an D3 mit Hilfe des ultravioletten Anteils (UV) der Sonnenstrahlung selbst bilden – und zwar über die Haut. Genau deshalb ist die Bezeichnung „Vitamin“ eigentlich auch nicht korrekt, da man unter Vitaminen im Allgemeinen lebensnotwendige organische Verbindungen versteht, die der Stoffwechsel nicht bedarfsdeckend synthetisieren kann. Vielmehr ist Vitamin D3 eine Hormon-Vorstufe, also ein Prohormon, das vor allem beim Knochenaufbau eine entscheidende Rolle spielt, dem aber auch zahlreiche andere positive Effekte zugesprochen werden.


„Ganz sicher gehört dazu auch die Stärkung des Immunsystems“, sagt der Endokrinologe Dr. Stephan Scharla, Sprecher der Sektion Knochen- und Mineralstoffwechsel der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Das Problem sei allerdings, dass die meisten Menschen in Deutschland in den Wintermonaten nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt seien. Über die Ernährung könne der tägliche Bedarf kaum gedeckt werden, da nur wenige Lebensmittel (etwa Seefisch, Eier, Pilze) Vitamin D enthalten und das auch nur in geringen Mengen. „Wir empfehlen daher, gerade im Winterhalbjahr Vitamin D zu supplementieren“, sagt der Mediziner im Auftrag der DGE.


Und das ausdrücklich auch, um sich vor Infektionskrankheiten wie Influenza oder Covid-19 zu schützen. „Das kann man inzwischen aus wissenschaftlicher Sicht befürworten“, so Scharla unmissverständlich.


Diese Aussage ist insofern spannend, weil sich offizielle Stellen wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) oder das Robert Koch Institut (RKI) bisher mehr als schwertun, einen positiven Einfluss des Sonnenvitamins bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 klar zu benennen. Die Fachgruppe COVRIIN beim RKI, die Ärztinnen und Ärzten Therapieempfehlungen zu Covid-19 anbietet, schreibt: „Vitamin D3 soll nicht zur COVID-19-Behandlung verabreicht werden.“ Auch das BfR spricht von einer „nicht empfohlenen Substanz“, verweist wie das RKI allerdings auf die Empfehlungen der Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, wenn es um die „Substitution bei kritisch kranken Patienten mit Hypovitaminosen mit nachgewiesenem Vitamin-D-Defizit“ geht.


Ursache oder Folge einer schweren Covid-Erkrankung?

Ob Vitamin D als Therapie im akuten Fall einer schweren Covid-Erkrankung geeignet ist, darüber streiten Wissenschaftler bereits seit mehr als zwei Jahren, ohne dass die eine oder andere Seite Daten vorlegen konnte, die den jeweils anderen überzeugt hätten. Unstrittig ist hingegen die Beobachtung, dass es eine Korrelation, also einen Zusammenhang zwischen schweren Krankheitsverläufen und einem mangelhaften Vitamin-D-Spiegel im Blut bei Covid-Patienten gibt.


Doch ist der Mangel Ursache oder Folge der Erkrankung? Um das zu klären, haben Wissenschaftler der Universitäten Heidelberg und Tübingen für eine Meta-Analyse acht Studien ausgewertet, bei denen der Vitamin-D-Status der Patienten bereits vor bzw. zu Beginn des Krankenhausaufenthaltes bekannt war. Sie sehen starke Beweise dafür, dass ein Mangel an D3 eher ein Prädiktor, also eine Vorhersagevariable, als ein Nebeneffekt der Infektion ist: „The datasets provide strong evidence that low D3 is a predictor rather than just a side effect of the infection.“


Auf Grund der ausgewerteten Daten empfehlen die Autoren der Studie, in der gesamten Bevölkerung den Vitamin-D-Spiegel im Blutserum [wissenschaftlich 25(OH)D] auf 50 ng/ml anzuheben, „was die meisten Leben retten und die Auswirkungen auch für Patienten mit verschiedenen Komorbiditäten reduzieren würde.“ Dafür sprechen auch die Ergebnisse einer israelischen Studie (Dror et al., 2022). Von 1.176 Patienten, die zwischen April 2020 und Februar 2021 mit einer Covid-Erkrankung in einer Klinik in Nahariya (Galilee Medical Center) behandelt werden mussten, hatten diejenigen mit einem Vitamin-D-Mangel (< 20ng/ml) 14-mal häufiger einen schweren oder kritischen Verlauf als Patienten deren Vitamin-D-Spiegel oberhalb von 40 ng/ml lag – und zwar mindestens 14 Tage vor ihrem positiven PCR-Test.


Im Winter unmöglich genügend Vitamin D zu produzieren

Auf Werte von 40 bis 50 ng/ml dürften in Deutschland wohl nur die wenigste Menschen kommen - vor allem in den Wintermonaten. Dann haben laut „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (RKI) etwa 82 Prozent der deutschen Bevölkerung keine ausreichende Versorgung mit Vitamin D. Und dabei geht das RKI bei dieser Untersuchung aus dem Jahr 2016 von einer „ausreichenden Versorgung“ schon ab 20 ng/ml 25(OH)D im Blut aus, also deutlich weniger als die Wissenschaftler aus Heidelberg und Tübingen oder auch die aus Nahariya als Optimum ermittelt haben.


Dr. Scharla sieht den optimalen Wert irgendwo zwischen 20 und 60 ng/ml. Um den zu erreichen, sei in der dunklen Jahreszeit für die meisten Menschen eine zusätzliche Aufnahme durch Vitamin-D-Präparate von 1.000 bis 3.000 internationalen Einheiten (IE) sinnvoll, so die Empfehlung des Endokrinologen, und zwar am besten in Absprache mit dem Hausarzt. „Denn eine Überversorgung kann auch negativen Folgen haben“, warnt der Mediziner. Bei mehr als 60 ng/ml steige etwa das Risiko für Knochenbrüche oder sogar Knochenabbau. Außerdem sei eine tägliche Einnahme in kleinen Mengen besser als etwa die wöchentliche oder monatliche Einnahme von hochdosiertem Vitamin D.


Bei der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) sieht man hingegen keinen Anlass, die Supplementierung von Vitamin D zu empfehlen. Vizepräsident Prof. Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) möchte sich zu dem Thema nicht äußern. Die Studien aus Heidelberg und Tübingen oder die aus Israel kenne er nicht. Die Frage, ob er kein Interesse habe, sich diese mal anzuschauen, ließ der Immunologe unbeantwortet.


Dass wir uns im Winter kaum darauf verlassen können, das Sonnenvitamin D3 in ausreichender Menge selbst über die Haut zu produzieren, zeigen die Studien des Physikers, Meteorologen und Klimaforschers Prof. Gunther Seckmeyer von der Leibniz Universität Hannover. Wer sich in der niedersächsischen Landeshauptstadt am 21. Dezember bei wolkenlosem Himmel in die Sonne legt, kann zwar theoretisch innerhalb von 38 Minuten 1.000 IE über die Haut produzieren. Er müsse dafür aber auf einen sehr milden Winter hoffen oder ziemlich abgehärtet sein, erklärt der Wissenschaftler, „denn das würde nur funktionieren, wenn die Person komplett unbekleidet ist.“ Beim Winterspaziergang mit entsprechender Bekleidung, wenn also nur das Gesicht und die Hände der Sonne ausgesetzt sind, würde es drei Tage, bei geschlossener Wolkendecke sogar bis zu 35 Tage dauern, um diese 1.000 IE zu produzieren. „Unsere Berechnungen zeigen also, dass es im Winter praktisch unmöglich ist, genügend Vitamin D zu bilden“, so Seckmeyers Fazit.


Wer gut versorgt ist, profitiert nicht – doch das sind die wenigsten

Vor allem in den Städten beginnt das Problem aber spätestens mit Herbstbeginn, wenn die Sonnenscheindauer kürzer und der eigene Schatten immer länger wird. Doch welche Schlüsse ergeben sich aus diesen Erkenntnissen auch für die möglicherweise drohende nächste Corona-Welle? Das Bundesinstitut für Risikobewertung jedenfalls will keine „generelle Empfehlung zur Einnahme von Vitamin-D-Präparaten zur Vorbeugung einer SARS-CoV-2-Infektion oder eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung“ herausgeben, heißt es auf Nachfrage. Dafür gebe es keine Begründung. Nach Auffassung des BfR sei bislang nicht gezeigt worden, dass gut mit Vitamin D versorgte Personen von einer zusätzlichen Vitamin-D-Gabe profitierten.

Selbst wenn das stimmen sollte, hieße das im Umkehrschluss, dass Personen, die eben nicht gut mit Vitamin D versorgt sind, sehr wahrscheinlich von einer Supplementierung profitieren – und das ist im Winter die Mehrheit, so auch die Erfahrung von Stephan Scharla. Da Vitamin D wenig koste und keinen Schaden anrichte, wenn man sich an die Empfehlungen hält, sei es eine sinnvolle Ergänzung des Werkzeugkastens im Kampf gegen Pandemien, meint der Endokrinologe. Auch wenn noch nicht im Detail geklärt sei, wie das Prohormon bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 wirke, lautet sein Appell mit Blick auf den nahenden Winter: „Im Zweifel für Vitamin D.“


Links:

COVRIIN Therapieempfehlungen zu Covid-19


BfR zu Vitamin D und Covid-19


RKI-Studie zu Vitamin D in der Bevölkerung (2016)


Studie der Universitäten Heidelberg und Tübingen (2021)


Studie aus Israel (2022)

Studie zur Vitamin-D-Produktion nach Jahreszeiten (Prof. Seckmeyer, Hannover)

Autor: Bernd Reiser

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