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Baugebiete und "KFC" - „Weichen für Wandel“ nicht gestellt


Celler Stadtkämmerer Thomas Bertram Haushaltssitzung 2022
Foto: Peter Müller

CELLE. Die gestrige Ratssitzung in der Alten Exerzierhallte folgt einer zufälligen und doch aussagekräftigen Dramaturgie. Speziell die Debatte über den Haushalt 2022 erweist sich als Spiegel der grundsätzlichen politischen Ausrichtungen, die im Celler Parlament vertreten sind.


Handelt es sich wirklich um ein- und dasselbe Papier, über das so hitzig debattiert wird, oder wurde da nicht doch etwas vertauscht? Dieser Eindruck mag sich dem unbeteiligten und uninformierten Zuhörer aufdrängen angesichts der so sehr voneinander abweichenden Bewertungen des vom Stadtkämmerer Thomas Bertram zum Beschluss vorgelegten Haushalts 2022. Die Bandbreite reicht von „Meilenstein auf dem Weg zur Besserung unserer finanzpolitischen Lage“ (Alexander Wille, CDU), „Einsparungen tragen Früchte, z.B. Abgabe der Jugendhilfe“ (Anatoli Trenkenschu, AfD) über „ein Haushalt, über den wir uns nur freuen können“ (Dr. Udo Hörstmann, Unabhängige) bis zu „sozialer Kahlschlag, keine Orientierung am Gemeinwohl, ökologisch und klimapolitisch ohne Ambition“ (Behiye Uca, Gruppe Linke und Zukunft Celle) oder „nicht einmal den Ansatz gefunden einer Vision für ein nachhaltiges und zukunftsgerechtes Celle“ (Johanna Thomsen, Grüne). Es gehe darum, die Weichen zu stellen für den Wandel, dieser Haushalt renne jedoch der Vergangenheit nach, er werde den Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht, führte die grüne Fraktionsvorsitzende aus.


Die Verwaltung selbst hob in ihrem Bericht den Überschuss von rund 3 Millionen Euro hervor. „Wir können im Gesamtergebnis nicht nur einen ausgeglichenen, sondern sogar einen positiven Haushalt vorlegen“, sagte Bertram, seit 2018 könne man positive Jahresabschlüsse vorweisen. „Die Stadt ist überzeugt, einen soliden Haushalt aufgestellt zu haben, der Celle sicher in die Zukunft führen wird.“ Die Gewerbesteuer habe sich auch in Zeiten der Pandemie gegen den Trend deutlich positiv dargestellt. Auswirkungen von Corona hätten in Celle deutlich geringere Spuren hinterlassen als bei vielen anderen Kommunen.


Karin Abenhausen (Grüne) ging speziell auf die Sondereffekte, die der Stadtkämmerer selbst als mitverantwortlich für den positiven Trend anführt, ein: „Sie rühren zum einen daher, dass die Stadt immer mehr Aufgaben aus ihrem Verantwortungs- und damit auch Einflussbereich abgibt. Schulen und Kindergärten werden beispielsweise verkauft – ein Effekt, der sich in den kommenden Jahren nicht endlos fortsetzen lässt. Dieses Mittel verbraucht sich also“, betonte Abenhausen. Insgesamt müsse es eine andere Form von Wachstum geben.


Als positives Signal in diese Richtung ließ sich der Hinweis auf einen Runden Tisch für Klimaschutz und Umwelt, dem die Verwaltung laut Johanna Thomsen zugestimmt habe, deuten. CDU-Vertreter Dr. Michael Bischoff dämpfe den Optimismus jedoch mit seiner Aussage: „Für mich ist Klimaschutz nicht der Nabel der Welt“, mit der er Bernd Zobels Plan, nicht das Wort zu ergreifen, aushebelte: „Bischoff bringt mich ans Mikrofon. Der Klima-in-Not-Beschluss ist von höchster Priorität“, betonte Zobel. In der vergangenen Wahlperiode habe man bei einigen Themen an einem Strang gezogen mit dem Rathaus. „Aber das damalige Narrativ stimmt für mich nicht mehr“, wandte der Grüne Ratsherr ein, bevor die Abstimmung ein klares Ergebnis erbrachte: Mit 28 Ja- gegen 8 Nein-Stimmen (Grüne, WG, Partei, Linke, Zukunft Celle) wurde der Haushalt für 2022 genehmigt.


„Die CDU betont die Tagespolitik“, argumentierte Bernd Zobel und gab damit während der Haushaltsdebatte einen Hinweis auf die noch anstehenden Punkte der Agenda am Ende der Sitzung, in deren Verlauf durch die Redebeiträge der Linken/Zukunft Celle (s. Anhang) und der Grünen der Blick geweitet worden war hin zu Grundsätzlichem weitab von handfester Beschlussfassung.


Diese stand abschließend an zu den Fragen, ob in Wietzenbruch ein Neubaugebiet eröffnet werden solle und die Fast-Food-Kette „Kentucky Fried Chicken (KFC)“ sich ansiedeln dürfe in Altencelle nördlich des Baumschulenweges. Mit einer deutlichen Mehrheit votierte das Parlament für neue Häuser in Wietzenbruch. Knapp wurde es bei KFC, denn die SPD hatte sich bereits im Bauausschuss deutlich gegen weitere Systemgastronomie ausgesprochen: „Der Verkehr nimmt dadurch noch weiter zu und auch der Müll“, argumentierte Jürgen Rentsch (SPD). 18 Ratsmitglieder lehnten ab und unterlagen damit knapp gegen 21 politische Vertreter, die sich auch von den vorgetragenen Fakten, wonach KFC sich industrieller Massentierhaltung bediene und Schätzungen zufolge weltweit eine Milliarde Hühner pro Jahr „verbrauche“, nicht beeindrucken ließen.


Rede Die Linke/Zukunft Celle:

Haushalt 10.02.2022



Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

meine Damen und Herren,

um es gleich vorweg zu sagen: Die Linke/Zukunft Celle wird dem Haushalt – trotz mancher sinnvoller Projekte wie der Sanierung Neuenhäusens – aus grundsätzlichen politischen Überlegungen nicht zustimmen.


Warum nicht?


Jeder Haushalt ist auch eine politische Absichtserklärung. Der kann man zustimmen, wenn die politische Grundrichtung stimmt. Wir können es aus drei Gründen nicht:


1. Der Haushalt ist ökologisch und klimapolitisch ohne Ambitionen.

2. Er hat keine Antworten auf die sozialen Probleme.

3. Er ist finanzpolitisch unzureichend.


Seit unserem Beschluss „Klima in Not“ bewegen wir uns einen halben Schritt nach vorn, aber gleichzeitig zwei zurück. Die Verwaltung hat keinen Plan und bremst Initiativen aus dem Rat in aller Regel aus. Es gibt keinerlei Ehrgeiz bei der Mobilitätswende. Die zunehmende Flächenversiegelungen durch überdimensionierte Ausweisung von Flächen für Stadtvillen ist nicht zeitgemäß. Und wie es aussieht, will die Verwaltung eine Baumschutzsatzung verhindern, die diesen Namen verdient.


Das ist aber auch an kleinen Dingen zu erkennen wie

  • Bezahlung von Personal aus dem Klimaschutzfonds,

  • kein Plan für die Umstellung auf emissionsarme Dienstfahrzeuge

  • fehlende öffentliche Ladesäulen am Rathaus, in Parkhäusern und öffentlichen Plätzen.


Meine Damen und Herren,


kommen wir zur sozialpolitischen Ausrichtung des Haushalts. Seit Jahren schon ist ein sozialer Kahlschlag ersichtlich. Auch im aktuellen Haushalt findet sich keine Trendumkehr hin zu einer zielgerichteten Sozialraumpolitik oder für den Einsatz gegen Armut und Obdachlosigkeit. Und es gibt kaum noch Projekte, die Chancengleichheit herstellen könnten.


Meine Damen und Herren,


die Verwaltung redet immer wieder vom Konzern der Stadt Celle. Es wird re-strukturiert, ausgegliedert, verkauft. Nebenbei schleicht sich der Oberbürgermeister aus der Verantwortung, wie im Falle des Allgemeinen Krankenhauses.


Aber wer hier im Rat hat überhaupt einen Überblick über die finanzielle Situation des Konzerns? Wir kommen uns manchmal vor wie auf einer Hauptversammlung von Siemens, auf der nur über die Finanzen und den Haushalt des Stammhauses diskutiert wird, aber die Gesamtsituation des Unternehmens aus dem Blick gerät.


Uns aber muss es um das Ganze gehen, um eine Orientierung am Gemeinwohl.


Solide Haushaltspolitik bedeutet insoweit, die Stadt zukunftsfest zu machen

  • durch gute, intakte, umwelt- und klimagerechte Infrastruktur,

  • durch eine transparente Finanzpolitik,

  • durch die soziale Integration aller Bürger und Bürgerinnen,

  • durch eine klare strategische Ausrichtung

  • und durch eine engagierte kommunale Daseinsvorsorge.


All das vermissen wir nicht erst seit heute.


Herzlichen Dank.


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