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Kurzes Leben, große Wirkung – Ludwig Hölty


Die Vorsitzenden der Ernst-Schulze-Gesellschaft Drs. Elke und Lothar Haas Fotos: Peter Müller

CELLE. Mozart hat seine Verse für die „Zauberflöte“ verwandt, er gilt als Erfinder der deutschen Ballade, war ein überaus empfindsamer Lyriker, hat sich einen festen Platz gesichert in der deutschen Literaturgeschichte und gab einem Celler Gymnasium seinen Namen. „Meine beiden Söhne haben das #Hölty erfolgreich absolviert, aber über den namensgebenden Dichter dort nichts gelernt. Was macht ihn denn für heutige Schüler interessant?“, nutzt eine Zuhörerin die Gelegenheit, DEN Kenner der Dichtung Höltys in Celle zu Gast zu haben. Als solcher gilt Dr. Walter #Hettche. Der Dozent für Neuere Deutsche Literatur ist eigens aus München angereist, um auf Einladung der Ernst-Schulze-Gesellschaft einen Vortrag zu halten.


Angesichts der Tatsache, dass Ludwig Hölty nicht einmal 28 Jahre alt geworden ist, klingt „275. Geburtstag“ im Zusammenhang mit dem im Jahr 1776 an Tuberkulose verstorbenen Dichter und Übersetzer fast ein wenig bizarr. Den Todestag zu begehen hätte besser zu ihm gepasst, denn der 1748 in Mariensee bei Hannover Geborene hatte ein schweres Leben. „Krankheit und Tod sind die Begleiter des jungen Poeten, sie werden neben den euphorischen Begrüßungen des Frühlings die eigentlichen Hauptthemen seiner mehr als 140 überlieferten #Gedichte und etwa 40 Briefe werden“, schreibt Oskar Ansull im Sachsenspiegel vom 4.3.2023. Die Ernst-Schulze Gesellschaft hat das diesjährige #Jubiläum zum Anlass genommen, das Jahr 2023 über in Celle an ihn zu erinnern.


SCHUHSTRASSE UND KALANDGASSE

„Ein Celler Dichter ist er ja eigentlich nicht“, sagt Hettche zum Auftakt seines Referates mit der Überschrift „Leise wie Bienenton“. Die Mutter Höltys, Elisabeth Gössel, stammte aus Celle, eine von Dietrich Klatt geschaffene Gedenktafel an dem Haus in der Schuhstraße 22 verweist darauf, dass der Heranwachsende hier von Herbst 1765 bis Ostern 1768 bei seinem Onkel wohnte, um die Lateinschule in der Kalandgasse, aus der das Gymnasium Ernestinum hervorging, zu besuchen. Seine Mutter war zu dieser Zeit bereits tot, auch sie verstarb an der Schwindsucht. Der Vater Philipp Ernst Hölty, ein protestantischer Pfarrer, hatte seinen Sohn zunächst zu Hause unterrichtet in verschiedenen Fächern, die private Schulung legte die Grundlagen besonders für das Sprachverständnis des Kindes, das mit 7 Jahren an den Blattern erkrankte, fast erblindete und Narben im Gesicht zurückbehielt. Erst mit 16 Jahren durfte er eine Schule besuchen, wo neben den Dichtern der Antike auch die italienische, englische und französische Literatur auf dem Lehrplan standen.


Biographisches nennt der Referent Walter Hettche, der „Ludwig Hölty – Gesammelte Werke und Briefe“ im Wallstein Verlag herausgegeben hat, nicht. Er setzt es als bekannt voraus und liegt bei den 54 Zuhörern im #Kreistagssaal damit sicher richtig. Der #Vortrag des Experten widmet sich vielmehr der literarischen Epoche der „Empfindsamkeit“ (1740-1790), die der Namensgeber eines Celler Gymnasiums und einer Straße mitprägte und für die er wie literaturhistorisch insgesamt von Bedeutung ist.


EPOCHE DER „EMPFINDSAMKEIT“

„Die Stadt, in der Hölty zum Dichter wurde, war Göttingen“, berichtet Hettche. Im Jahr 1769 begann Hölty dort Theologie und Sprachen zu studieren. Geselligkeit, ein gutes soziales Miteinander kennzeichneten die Atmosphäre, der junge Student fand sich schnell mit Gleichaltrigen zusammen, um sich zwanglos zu treffen, über Literatur zu debattieren und natürlich die eigenen Werke vorzutragen und eine Bewertung der Kommilitonen einzuholen. Aus einer solchen Versammlung in ländlicher Umgebung nahe Göttingen heraus entstand spontan am 12. September 1772 der „Göttinger Hainbund“, eine die Natur verehrende literarische Gruppe, die sich laut dem Münchner Experten für die „ursprüngliche germanische Dichtung begeisterte und sich gegen andere Strömungen in der Literatur abgrenzte“. Ludwig Hölty gilt als einer, wenn nicht der beste Repräsentant des Hainbundes. Der junge Literat entwickelte eine eigene poetische Ausdrucksform, verfasste seine Gedichte in fließend-melodischer Weise und erzeugte eine Atmosphäre mit empfindsam-melancholischem Charakter.

Üb‘ immer Treu und Redlichkeit/Bis an dein kühles Grab/Und weiche keinen Finger breit/Von Gottes Wegen ab… gehört zu den bekanntesten Versen von Hölty als Teil seines Gedichtes „Der alte Landmann und sein Sohn“. Mozart adaptierte sie für seine Oper „Die Zauberflöte“. Auch Franz Schubert, Johannes Brahms, Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy und andere berühmte Komponisten vertonten die Werke Höltys. Dieser beendete sein Theologie-Studium nicht. Seinen Lebensunterhalt verdiente der junge Mann als Übersetzer griechischer und englischer Texte sowie als Privatlehrer in Göttingen und seinem Geburtsort Mariensee. Seine Gedichte wurden in Zeitungen und Textsammlungen (Almanachen) publiziert.


IDENTIFIKATION MIT FRÜHLING

Sein „Frühlingslied“ (Drum komme, wem der Mai gefällt/Und freue sich der schönen Welt/Und Gottes Vatergüte/Die diese Pracht/Hervorgebracht/Den Baum und seine Blüte.) verströmt Lebensfreude und Zuversicht. Mit all dem, was Frühling verkörpert, wird Hölty trotz aller Düsternis und Angst, die ihn seit frühester Kindheit begleiteten und die er sich, wie Oskar Ansull formulierte, „phantastisch von der Seele schrieb“, in Verbindung gebracht. Kaum besser in Worte zu fassen als mit Nicolaus Lenaus Ausruf im Jahr 1822: „Hölty, Dein Freund der Frühling ist gekommen!“ Die Welt verlassen musste er nicht während der Jahreszeit, in der alles erwacht, der Sommer neigte sich bereits dem Ende, als Ludwig Hölty den nahen Tod spürte. Natürlich verabschiedet sich einer, dessen Leben Sprache und Dichtung war, mit Versen. „Auftrag“ hat er seine letzten Strophen betitelt: Ihr Freunde, hänget, wann ich gestorben bin/Die kleine Harfe hinter dem Altar auf/Wo an der Wand die Totenkränze/Manches verstorbenen Mädchens schimmern… Oft, sagt er staunend, tönen im Abendrot/Von selbst die Saiten, leise wie Bienenton/Die Kinder, auf dem Kirchhof spielend/Hörtens und sahn, wie die Kränze bebten.


Am 2. Juni lädt die Ernst-Schulze-Gesellschaft ab 12 Uhr zum Hölty-Tag in den Park des Landkreises und in den Kreistagssaal ein. Schulen sind aufgerufen, ihn mitzugestalten. Die Beiträge der Schüler aus Celle und Umgebung für dieses Fest werden dann wohl auch die Antwort geben auf die Frage der Zuhörerin, was Ludwig Hölty für junge Menschen heute noch interessant macht.



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