BERLIN. Auf den Offenen Brief an Olaf Scholz bezüglich deutscher Waffenlieferungen in die Ukraine mit derzeit fast 190000 Unterzeichnern reagiert die "Allianz Ukrainischer Organisationen", nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss ukrainischer zivilgesellschaftlicher Diaspora- und Nichtregierungsorganisationen in Kooperation mit der ukrainischen Botschaft.
Die Reaktion im Wortlaut, unzensiert und unkommentiert
Sehr geehrte Frau Schwarzer,
sehr geehrte Unterzeichner*innen,
mit unfassbarer Verachtung der Menschlichkeit führt Russland einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Während Sie diese Zeilen lesen, töten russische Soldaten massenhaft Ukrainer*innen. Leichen von - teils gefesselten – Zivilist*innen werden in Massengräbern „entsorgt” oder einfach auf der Straße verbrannt. Hunderttausende Kinder und Erwachsene werden nach Russland verschleppt. Frauen, Kinder und Männer werden systematisch vergewaltigt. Schutzsuchende Zivilist*innen werden in den Unterschlüpfen mit russischen Granaten beworfen.
Wir, Ukrainer*innen und überzeugte Europäer*innen, sind über Ihren Brief an Herrn Bundeskanzler Olaf Scholz zutiefst erschüttert und entsetzt. Nicht nur angesichts der dokumentierten Kriegsverbrechen, sondern auch in Bezug auf das erklärte Ziel des Krieges - die Vernichtung alles Ukrainischen - dokumentiert Ihr Brief die gleiche Verachtung.
Die Aufforderung zu einem „Kompromiss“ kommt einer Aberkennung des Existenzrecht der Ukraine als unabhängiges, selbstbestimmtes Land gleich. Sie reduzieren die Ukraine auf eine Örtlichkeit, auf ein Schlachtfeld. Die Vernichtung von Kultur, Sprache, Souveränität sorgt Sie nicht, Ihre ganze Sorge gilt der Eskalation. Dabei blenden Sie vollkommen aus, dass die Ukraine durch Russland unter brutalstem Bruch des Völkerrechts angegriffen wurde. Die von der russischen Armee begangen Gräueltaten werden in Ihrem Brief an keiner Stelle erwähnt. Sie verharmlosen den fortschreitenden Genozid in der Ukraine. In Ihrem Brief äußern Sie indirekt die Meinung, dass die Ukrainer*innen den Kampf um ein eigenes Land, um Freiheit, das Recht auf Selbstbestimmung und die eigene Existenz aufgeben sollen, um das Leid der Menschen zu beenden. Mit Ihren Statements nivellieren Sie all die Menschen, die mit ihrem Leben die Freiheit und Sicherheit der Ukraine und ja, auch in Europa verteidigen. Wir möchten Sie besonders darauf aufmerksam machen, dass die Zivilist*innen in Butscha, Irpin, Borodjanka, Worsel, Mariupol nicht gekämpft haben – und trotzdem von russischen Soldaten massakriert wurden.
In Ihrem Brief rufen sie zum Kompromiss und Dialog mit dem Kriegsverbrecher Putin auf. Vor acht Jahren okkupierte Russland die ukrainischen Halbinsel Krym. Seit über acht Jahren führt Russland Krieg im Donbas, im östlichen Teil der Ukraine. Seit acht Jahren führt die Ukraine den Dialog mit Russland. Deutschland war der führende Partner in den Friedensgesprächen. Können Sie bitte benennen, welche Indikatoren, konkrete Handlungen seitens Russland, darauf hinweisen, dass Russland bereit zu einem Dialog ist, einen Dialog will? In den Letzten acht Jahren ist Russland um vielfaches repressiver geworden: Verfolgung der eigenen Bevölkerung, Vergiftung von Oppositionellen, Hackerangriffe auf den Bundestag, Listung Deutscher NGOs, die Brücke zur russischer Zivilgesellschaft, als ausländische Agenten. Mit dem Auftragsmord im Tiergarten 2020 wurde auch die Souveränität Deutschlands verletzt. Was waren also die konkreten Beispiele, die uns hoffen lassen, dass uns mit Russland ein verlässlicher Partner gegenüber steht?
Wir stehen fest hinter dem Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, dass jedes Land das Recht auf Selbstverteidigung hat. Wir sind fest davon überzeugt, dass es eine prinzipielle politische und moralische Pflicht gibt, das vorsätzliche Töten der Menschen, brutales Ermorden von Zivilist*innen zu verhindern und unschuldige Menschen mit allen Mitteln zu retten.
Wir erachten es als wichtig, dass in der Öffentlichkeit stehende und meinungsbildende Menschen - wie Sie - sich über das volle Ausmaß des Krieges und der begonnenen Zerstörung Europas im Klaren sind. „Nicht nur mit Blick auf unsere heutige (Wirtschafts)Macht,“ sondern gerade in Anbetracht der historischen Verantwortung Deutschlands – „und in der Hoffnung auf eine gemeinsame friedliche Zukunft.“
Hochachtungsvoll,
Allianz Ukrainischer Organisationen
CineMova. Ukrainian Film Community Berlin e.V. Initiative für Wissensaustausch Empowerment und Kultur (IWEK) e.V. kul‘tura e.V. Plast “Ukrainischer Pfadfinderbund in Berlin” e.V. Ukraine-Hilfe Berlin e.V. Ukrainische Orthodoxe Kirche e.V. Ukrainische Schule Berlin e.V. Ukrainisches Radio in Deutschland “Trembeats.fm” Initiative Ukrainian Virtual House UkrDim Vitsche Berlin e.V.