
CELLE. Am vergangenen Sonnabend stellte die Kabarettistin und Liedermacherin Sarah Hakenberg ihr neues Programm „Mut zur Tücke“ in Kunst&Bühne vor. Nach 2021 war dies die zweite Vorpremiere der Künstlerin in Celle.
Vor ausverkauftem Haus betrat eine sichtlich gut gelaunte Sarah Hakenberg gleich zweimal hintereinander die Bühne. Beim ersten Mal, um zu erklären, dass es sich um eine Vorpremiere handele und jeder und jede jetzt noch eine letzte Möglichkeit habe, zu gehen (von der kein Gast Gebrauch machte), und zum zweiten Mal, um unter heftigem Applaus mit der Vorstellung zu beginnen.
Die besondere Atmosphäre einer Vorpremiere bringt es mit sich, dass noch nicht jeder Klaviergriff und jede Überleitung hundertprozentig sitzen. Aber diese kleinen Stolperstellen überspielte die Künstlerin mit einem derartigen Charme, dass das Publikum sich nie sicher sein konnte, ob der schräge Akkord oder der Versprecher nicht doch dazu gehörten. Hatte sie doch in ihrer Vorrede doch schon gescherzt: „Ich kenne Zuschauer, die nur zu Vorpremieren gehen, um eine Künstlerin mal scheitern zu sehen“.
Sarah Hakenberg hält den Spiegel vor: Der umwelt- und naturbewussten „Mittelstandsfrau“ Laura, die aus purer Flugscham „Traumurlaub zu Haus“ im extra dafür gebauten Gartenpool macht und zum Schluss den Gatten und seine Geliebte in eben diesem Pool einbetoniert. Oder die bewussten Bürger:innen, die es nicht verstehen können, wie man heute noch in die Kirche gehen oder sich einen SUV kaufen kann (bei all‘ den Skandalen…), sich aber auf’s Rammsteinkonzert freuen.
Hakenberg macht politisches Kabarett und bezieht in ihrem Programm klar Position: für Demokratie und Vielfalt, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Trotzdem nimmt ihr bitterböses Lied vom „Kinderfest der AfD“ ein fast versöhnliches Ende, wenn am Schluss der „kleine Heinrich“ ein Flüchtlingskind küsst und der Döner bei der Gegendemonstration besser schmeckt als das Steckrübenmus. Kinder wissen es eben doch besser.
Als sie dann in ihrem Lied „Schalke-Fan“ die Katastrophe besingt, wenn in Ostwestfalen das Kind ein Schalke-Shirt vom Kindergarten mitbringt („was, wenn das die Nachbarn sehen“) und Schalke flugs durch Braunschweig ersetzt, hat sie in Celle die Lacher auf ihrer Seite.
In dem als Zugabe gesungenen Lied „Wacken“ lernt das Publikum endlich den Schnuckerbäckerzuckerkräckernickelsockelpickelgockel kennen. In der zungenbrecherischen Manier eines bayrischen Schnaderhüpfels reiht Hakenberg Wort an Wort aneinander, um die Herkunft der Zacken an den Jacken der Rocker in Wacken zu erklären.
Sarah Hakenbergs neues Programm “Mut zur Tücke“ enthält Substanz und Tiefgang. Manchmal bleibt einem das erste Lachen kurz im Halse stecken, wenn man hinter den eingängigen Melodien, ganz nach der Art Georg Kreislers, den schwarzhumorigen Text wahrnimmt. Und doch: Ihre meisterhafte Begabung für entwaffnende Ironie, das lustvolle Spiel der Sprache ist es, die einen Abend mit Sarah Hakenberg ausgesprochen amüsant werden lassen.