„Für den Osten war der 8. Mai der Beginn einer neuen Diktatur“
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- 3. Apr.
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WATHLINGEN. Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung sprach am Mittwochabend der Berliner Historiker Hubertus Knabe im 4-Generationen-Park von Wathlingen. Das Thema des Vortrages war ebenso ernst wie aktuell: der Einmarsch sowjetischer Truppen in Ostdeutschland und die Installierung einer kommunistischen Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone. Eine knappe Stunde hielt der renommierte Forscher die Zuhörer in Bann, als er die Ereignisse rund um den 8. Mai 1945 beschrieb.
„Niedersachsen ist ja das einzige westdeutsche Bundesland, das 1945 von der Roten Armee besetzt wurde,“ begann Knabe seinen Vortrag, um gleich hinzufügen: „Jedenfalls ein kleiner Zipfel, denn das Amt Neuhaus im Landkreis Lüneburg wurde von den Briten im Juli 1945 an die Rote Armee abgetreten.“ Die Dörfer östlich der Elbe seien dadurch Teil der DDR geworden, die die politisch unzuverlässigen Bewohner bald zwangsausgesiedelt habe. Ihre Höfe, die nicht anders ausgesehen hätten als die in Wathlingen, seien anschließend zumeist abgerissen worden.
Bei seinem Vortrag stützte sich Knabe auf sein gerade erschienenes Buch „Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland“. Der Historiker betonte, dass der Einmarsch der Roten Armee vor 80 Jahren für die meisten Deutschen alles andere als eine Befreiung gewesen sei: Sowjetische Soldaten hätten damals Zehntausende Zivilisten erschossen, schätzungsweise zwei Millionen Frauen und Mädchen vergewaltigt und ein Großteil der Gebäude geplündert und verwüstet. Mit ihnen sei die sowjetische Geheimpolizei gekommen, die Hunderttausende Zivilisten festgenommen habe. Zehntausende seien anschließend zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert oder in die gerade befreiten Lager der Nationalsozialisten gesperrt worden. „In der Bundesrepublik ist vielen nicht bewusst, dass der 8. Mai für den Osten Deutschlands der Beginn einer neuen Diktatur war,“ unterstrich Knabe.
In der anschließenden Diskussion kamen die Zuhörer auch auf den Ukraine-Krieg zu sprechen. Ob die Massenmorde in Butscha denen in Deutschland 1945 geähnelt hätten, fragte einer. „Ja,“ sagte der Historiker, „jedenfalls was die Bereitschaft zur Tötung unbeteiligter Zivilisten angeht.“ Da die Gräueltaten der Roten Armee vom russischen Militär nie aufgearbeitet worden seien, würden sie auch heute wieder als normale Begleiterscheinungen des Krieges betrachtet. Und wie könne man diesen Krieg beenden, lautete eine andere Frage. „Erfolgreich verhandeln kann man nur aus einer Position der Stärke,“ lautete die Antwort des Historikers. „Und Putin hält Deutschland und Europa für schwach.“
Hubertus Knabe: Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland, Verlag Langen Müller, München 2025, 25 Euro.
Text: Ernestinum