Berliner Schau erinnert an große Künstlerin, die in Nienhagen lebte
- Klaus M. Frieling
- 13. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Aug.

CELLE/NIENHAGEN. Eine große Ausstellung in Berlin erinnert derzeit an das Werk der Fotografin und Malerin Marta Astfalck-Vietz, die lange in Nienhagen lebte und an den Volkshochschulen in Celle und Wathlingen sowie in der Justizvollzugsanstalt Celle unterrichtete. Unter dem Titel „Inszeniertes Selbst“ widmet ihr die Berlinische Galerie bis Montag, 13. Oktober, eine umfangreiche Einzelausstellung mit mehr als 140 Werken. Im Mittelpunkt stehen ihre avantgardistischen Fotografien und erstmalig auch Pflanzenaquarelle - von denen einige auch in einem Celler Restaurant hängen, das das Andenken an die Künstlerin pflegt.
Schillerndes Werk aus Selbstinszenierungen
Vor rund 100 Jahren, in den turbulenten „Goldenen Zwanzigern“, hatte Marta Astfalck-Vietz in Berlin ein schillerndes Werk aus Selbstinszenierungen, Akt- und Tanzfotografien sowie experimentellen Bildern geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg (in dem ihr Atelier und viele ihrer Fotografien bei einem Bombenangriff zerstört wurden) verlegte sie sich auf sozialpädagogische Tätigkeiten; ihr künstlerisches Interesse galt fortan vor allem der Pflanzenmalerei. 1970 zog sie mit ihrem Mann, dem Architekten Hellmuth Astfalck, nach Nienhagen, wo sie die letzten 24 Jahre ihres Lebens verbrachte und 1994 im Alter von 92 Jahren starb.

Die Künstlerin liebte gutes Essen – was Wunder, dass sich eine Freundschaft mit dem renommierten Küchenchef Ernst Rissmann ergab, der damals die "Jahnstuben" in Nienhagen betrieb und ihr sein Restaurant zweimal für Ausstellungen zur Verfügung stellte. „Ich hatte tolle Gespräche mit ihr, wir haben sie in den Jahnstuben verwöhnt“, erinnert sich Rissmann gegenüber CelleHeute mit viel Sympathie und großer Hochachtung an die Künstlerin. Für Rissmann malte Marta Astfalck-Vietz einen Zyklus von 12 Bildern über Obst und Gemüse. Diese Bilder nahm der Gastronom später mit, als er vor 17 Jahren sein neues Restaurant in Celle gründete, das die Erinnerung an die Künstlerin auch in seinem Namen „Martas“ wach hält. „Ihr Artischocken-Bild habe ich dann später auch als Logo für das Martas genommen.“

Eduard Dückmann übernahm das Restaurant in der Celler Altstadt vor fast zehn Jahren, als Rissmann sich aufs Altenteil zurückzog. Und gemeinsam mit Ehefrau Julia pflegt Dückmann auch weiterhin das Andenken an Marta Astfalck-Vietz: „28 Bilder und eine von ihr bemalte Vase haben wir hier im Restaurant.“ So überzeugt das Haus in der Neuen Straße nicht allein durch seine gute Küche, sondern auch mit kunstgeschichtlichen Exponaten und Informationen über die Künstlerin. „Es kommen immer wieder Gäste auch von weither zu uns, die nicht nur gut speisen wollen, sondern sich vor allem auch für das Werk von Marta Astfalck-Vietz interessieren.“

Neben den zwei Ausstellungen in Nienhagen waren die Bilder von Marta Astfalck-Vietz auch in Winsen und im Albert-König-Museum in Unterlüß (2018) zu sehen. Nun also in der Hauptstadt. Die Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur – war 1989 auf zwei Fotografien von Marta Astfalck-Vietz gestoßen. Nach vielen Jahrzehnten wurde die Kunstwelt so wieder auf das besondere Werk dieser unangepassten und entdeckungslustigen Frau aufmerksam.
Mit ihren experimentellen Selbstporträts aus den 20er-Jahren hatte Marta Astfalck-Vietz zur Avantgardefotografie des 20. Jahrhunderts beigetragen. Humorvoll thematisierte sie Geschlechterrollen in der Weimarer Republik und nutzte ihre Kamera im eigenen Berliner Atelier, um selbstbewusst vielfältige Möglichkeiten weiblicher Identität zu zeigen.

Nach der Machtübernahme durch Diktator Adolf Hitler 1933 endete die Fotografenkarriere von Marta Astfalck-Vietz. Ihr Fotoatelier wurde zum Treffpunkt von Nazi-Gegnern. Als Kunstlehrerin unterrichtete sie jüdische Kinder, denen der Besuch öffentlicher Schulen infolge der nationalsozialistischen Politik verboten war. Künstlerisch widmete sie sich nun der Pflanzenmalerei, war von der fast tänzerischen Anmutung der Flora fasziniert.
Bundesverdienstkreuz für kunstpädagogische Arbeit
Auch nach dem Krieg blieb sie ihrer kunstpädagogischen Arbeit treu. Nach dem Umzug nach Nienhagen war sie in Behindertenwerkstätten, der Volkshochschule oder im Strafvollzug tätig.
Für ihre Arbeit mit behinderten Menschen wurde Marta Astfalck-Vietz 1982 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. 1994 starb sie im Alter von 92 Jahren - als Fotografin wiederentdeckt, als Pflanzenmalerin geehrt (eine Dahlie und eine Orchidee tragen ihren Namen). Sicherlich auf eigenen Wunsch hin wurde sie in einem anonymen Grab auf dem Celler Stadtfriedhof beerdigt.

Die Ausstellung "Inszeniertes Selbst" in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124-128 in Berlin-Kreuzberg, ist bis 13. Oktober von Mittwoch bis Montag von jeweils 10 bis 18 Uhr geöffnet (Dienstags geschlossen). Die Tageskarte kostet 10 Euro (ermäßigt 6 Euro). Ermäßigter Eintritt für alle am ersten Mittwoch des Monats, freier Eintritt für Besucher bis 18 Jahre.














