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Anke Schlicht

Vernachlässigt, verdorrt, verdurstet – Celler Bäumchen in Not


Fotos: Anke Schlicht, Peter Müller

CELLE. Bäume pflanzen liegt im Trend, macht sich gut in jeder Art von Publikation, ob digital oder gedruckt. Gleich auf der Startseite der Webpräsenz des Lions Club Celle wird der Besucher darüber informiert, was es mit dem Projekt „Baum des Jahres“ auf sich hat, daneben ein Foto, aufgenommen am Baumlehrpfad in der Allertal-Aue Klein Hehlen: Der frühere Stadtbaurat Ulrich Kinder mit dem Spaten in der Hand, tatkräftig unterstützt vom Pastpresident Jörn Starossum, begleitet von Publikum. Menschenleer ist derselbe Ort dieser Tage, wer über den Baum des Jahres 2022, die Rotbuche, etwas lernen will, hat Gelegenheit, auf einer Tafel zu lesen und ein prächtiges Exemplar auf Papier in Front einer realen Baumleiche anzuschauen: „So hätte er aussehen können, wäre er denn angemessen gepflegt worden.“ Ein ungeschriebener Titel über einem gut gemeinten Projekt, das durchaus als beispielhaft für städtische Baum-Neupflanzungen, ob als Ausgleich für Abholzungen oder im Rahmen der Stadtgestaltung und Begrünung, bezeichnet werden kann.


Der kümmerliche Zustand junger Bäume fällt auf - in Neubaugebieten, Kreiseln, innerstädtisch und abseits der Siedlungen, etwa entlang der Aller am Hafen oder am Tribünenbusch in Klein Hehlen. Seit 2012 dient hier ein 4000 Quadratmeter großes eingezäuntes Areal im Eigentum der Stadt als Ausgleichsfläche für Waldbestand entlang von Fließgewässern, der zum Zweck des Hochwasserschutzes abgeholzt wurde. „Eichen, Sträucher wie zum Beispiel Weiden und andere Gehölzarten sollen ‚waldähnlichen‘ Charakter erzielen“, teilt Stadtsprecherin Myriam Meißner mit als Antwort auf die Frage, ob das Gebiet mittlerweile aufgegeben worden sei. Aufgrund der Trockenheit der vergangenen Jahre, der Bodenbeschaffenheit und aus anderen Gründen sei dieses jedoch nicht ganz einfach. Im Sommer 2019 erlangte die Gegend traurige Berühmtheit, alle neu angepflanzten Eichen waren bis auf zwei Exemplare abgesägt worden. Bis heute ist nicht geklärt, wer verantwortlich ist. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren laut Meißner eingestellt.


PROMINENTE EICHEN

Wiederum eine Gelegenheit für klickende Kameras bot die Spende von vier Stieleichen der hiesigen FDP im Herbst 2019 als Reaktion auf den Baumfrevel. Jörg Bode, Joachim Falkenhagen, Björn Espe und Robert Kudrass lächelten gemeinsam mit Ulrich Kinder und dem Fachbereichsleiter für Verkehr, technische Dienste und Grün, Jens Hanssen, trotz Novemberkälte am Tribünenbusch in die Kameras. Drei Jahre später: Die gleiche Perspektive, derselbe Baum, keine Menschen – als Motiv dient nichts als ein dünnes Stämmchen, darauf fahles, totes Geäst, umgeben von Wildkräutern. Kein Vertreter des gespendeten Eichen-Quartetts hat überlebt, selbst „Prominenz“ zog keine ausreichende Pflege nach sich. Die Politiker hakten nach, im speziellen Fall und auch anlässlich anderer fehlgeschlagener Pflanzmaßnahmen, Einwohner erkundigen sich ebenfalls.


Das Neue Rathaus erläutert bei diesen Gelegenheiten sowie Antragstellungen von Seiten der Politik das Procedere: Aufträge für Ersatzpflanzungen werden in der Regel an Fachbetriebe vergeben, vertraglich werden Fertigstellungs- und Entwicklungspflegezeiträume von drei bis fünf Jahren vereinbart, in denen in Eigenverantwortung gepflegt und gegossen werden muss. Führt dieses nicht zum Anwachserfolg, muss die beauftragte Firma die Pflanzen auf eigene Kosten ersetzen und der Pflegezeitraum für diese beginnt erneut. Erst nach positivem Abschluss des Auftrags übernehme die Stadt die Kosten. Fachbereichsleiter Jens Hanssen teilt auf Anfrage, ob alle Pflanzungen vergeben würden, präzisierend mit: „Ausgleichs- und Ersatzpflanzungen erfolgen in der Regel durch Fremdfirmen und werden den jeweiligen Maßnahmen oder Projekten fachlich und kostenmäßig zugeordnet. Natürlich pflanzt die Stadt Celle selbst im eigenen Aufgaben- und Wirkungskreis auch Sträucher und Bäume, sei es in Grünanlagen, auf Friedhöfen, Sportplätzen, Außenanlagen an Schulen, Kitas oder im Verkehrsgrün.“


17.000 Bäume verschiedenster Sorten seien im Stadtgebiet im Rahmen normaler Pflanztätigkeiten sowie von Bebauungsplan-Festsetzungen bzw. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, u.a. für neu ausgewiesene Baugebiete, gepflanzt worden, hieß es vor einem Jahr aus dem Neuen Rathaus in Beantwortung eines Antrags der FDP. Ein wiederkehrendes Argument in den politischen Diskussionen und Einlassungen der Verwaltungen lautet im Falle „notwendiger“ Abholzungen für Feuerwehrgerätehäuser, Neubau- oder Gewerbegebiete, man gleiche ja aus, und zwar in hoher Zahl.

Dieses geschieht, aber die Prozesse sind mühsam und langwierig, oft bedarf es eines Ersatzes des Ersatzes.


So auch am Tribünenbusch und am Baumlehrpfad, häufig jedoch ohne gewünschtes Ergebnis. Von einem solchen kann im Neubaugebiet „Kieferngrund“ in Klein Hehlen die Rede sein. Als „Allee der toten Bäume“ bezeichnete Stadtratsmitglied Bernd Zobel (Grüne) die Anpflanzversuche im Steinbeckweg im September 2020, mittlerweile steht dort wieder eine grüne Baumreihe, einzelne Exemplare beginnen allerdings schon wieder braun zu werden (s. Fotos).


MANGELNDE PFLEGE

Die Frage nach der Ursache für so zahlreiche Bäumchen in Not stellt sich der Celler Politik ebenso wie manchem Einwohner. Ein Umstand, der aktuell für so vieles verantwortlich ist, scheidet laut einem Artikel in der FAZ bei Neupflanzungen aus: der Klimawandel. Vielmehr sei es hauptsächlich die mangelnde Pflege, die die Pflanzen eingehen lasse, schreibt Wissenschaftsautor Andreas Frey: „Ein junger Baum, der nicht im Wald aufwachsen darf, von großen Bäumen wunderbar geborgen, ist Schadstoffen und Hitze direkt ausgesetzt. Außerdem müssen seine Wurzeln erst tief in den Boden wachsen, um unter Extrembedingungen genügend Wasser zu finden. Er benötigt in den ersten drei Jahren genügend Pflege.“ Drei Maßnahmen seien besonders wichtig: 1. Wasser, vor allem während der intensivsten Trockenphasen; 2. Ein Schnitt, sollte sich die Krone krumm entwickeln; 3. Ein weißer Anstrich, um das Sonnenlicht zu reflektieren und auf diese Weise das zu starke Erhitzen der Rinde zu verhindern, denn Jungbäume können sich aufgrund fehlender Kronen nicht ausreichend Schatten spenden.

Auch andernorts haben die Bäumchen zu kämpfen, wird mangelnde Pflege beklagt, Celle ist nicht allein mit dem Problem, dennoch drängt sich der Eindruck auf „irgendwas läuft schief“.


Dass es auch anders geht, zeigt sich anhand eines Beispiels nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt, im Ostkreis. Ein rundum gelungenes Projekt ist in Jarnsen, unweit von Lachendorf, zu begutachten, federführend initiiert und umgesetzt vom Landkreis Celle. Seit Herbst 2019 strahlt die fast einen Kilometer lange Ortsdurchfahrt in neuem Glanz, Teil der Dorferneuerungs-Maßnahme war die Bepflanzung der Kreisstraße und des Ortsmittelpunktes mit Jungbäumen. Drei Jahre nach der Einweihung trifft der Besucher auf rund 100 junge, gesunde Eichen. Pressesprecher des Landkreises, Lukas Kloth, teilt auf Anfrage mit: „Die Pflanzung der Eichen und die Anwachspflege im ersten Jahr hat eine private Fachfirma im Auftrag des Landkreises ausgeführt. Während dieser Zeit mussten keine Bäume nachgepflanzt werden. Inzwischen hat die Gemeinde die Pflege der Bäume übernommen, was vertraglich so mit uns vereinbart worden war.“



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