HERMANNSBURG. „Wir sind alle tangobeseelt“, verkündete Heidrun Kruse am Ende eines Konzertabends, der keine Wünsche offen ließ. Die Vorsitzende des Vereins „Vielfalt Südheide – Kultur für alle“ beschrieb damit treffend den Zustand des Publikums im voll besetzten Vortragssaal des Evangelischen Bildungszentrum Hermannsburg nach zwei kurzweiligen Stunden, in denen ein Highlight auf das andere gefolgt war. Mit Unterstützung der Sparkassenstiftung hatte der Verein das renommierte Klaviertrio Hannover mit Katharina Sellheim (Flügel), Lisa Jacobs (Violine) und Johannes Krebs (Violoncello) gewinnen können. Dies allein wäre schon Garantie für ein Konzert auf höchstem künstlerischen Niveau gewesen. Aber was wäre Tango ohne ein Bandoneon? Diesen Part steuerte der niederländische Bandoneonist Carel Kraayenhof bei, der sich spätestens mit seinem Auftritt bei der Hochzeit von Prinz Willem-Alexander und Prinzessin Maxima 2002 in die Herzen eines Millionen-Publikums gespielt hat. Das damals in der Nieuwe Kerk Amsterdam vorgetragene Stück „Adiós Nonino“ von Astor Piazzolla wurde übrigens auch dem Hermannsburger Publikum nicht vorenthalten.
Tango, das ist Musik, die von Gegensätzen und großen Gefühlen lebt. Tiefste, dissonante Verzweiflung kann sich hier innerhalb von Sekunden in harmonischsten Klangbögen auflösen. Während Bandoneon und Streicher meist die „erzählenden“ Melodien übernehmen, betont das Klavier, bzw. der Flügel, Rhythmus, Harmonie und – immer in stimmiger Dosierung – Dissonanzen. Im Mittelpunkt des Programms stand Der Tango-Komponist schlechthin und Urheber des „Tango nuevo“, Astor Piazolla. Dessen „Vier Jahreszeiten“ boten dem Klaviertrio Hannover Gelegenheit, als eingespielter Klangkörper zu brillieren und gleich zu Beginn unter Beweis zu stellen, dass auch Geige, Cello und Flügel für sich als Tango-Instrumente funktionieren.
Der „Star“ des Abends, Carel Kraayenhof, stand dann naturgemäß im weiteren Verlauf des Abends im Mittelpunkt. Er wusste nicht nur als Meister seines Instruments zu überzeugen, sondern auch mit unterhaltsamen Anekdoten: zum Beispiel über den Tango-Komponisten und Bandoneonisten Astor Piazolla, den er persönlich kennengelernt hat, über den „Erfinder“ des Bandoneon, den Deutschen Heinrich Band, das Bandoneonspiel als „ideale Medizin gegen Alzheimer“ und die Geschichte des Tango von einer Musik der argentinischen „Unterschicht“ hin zum „Tango nuevo“ mit Einflüssen aus Jazz und Klassik. Klangvolle Melodiebögen zum Dahinschmelzen mischten sich immer wieder mit den charakteristischen, temperamentvollen Tango-Stakkati bei Stücken wie Escualo, Michelangelo, La Muerte del Ángel oder Oblivion. Am Ende des Konzerts stand – neben begeistertem Applaus – die Einladung der Vorsitzenden, Mitglied im Verein zu werden (www.vielfaltsuedheide.de) oder als Sponsor aktiv zu werden, denn nur so könnten Konzerte auf diesem Niveau in Hermannsburg stattfinden.
Text: Susanne Zaulick