Neue Regeln in der Geburtshilfe: Warum viele Hebammen ans Aufhören denken
- Sheenara Wiebke
- vor 8 Stunden
- 3 Min. Lesezeit

ESCHEDE. Weniger Geld, mehr Bürokratie und Zukunftsängste. Vier Jahre haben die Krankenkassen mit Hebammenverbänden über einen neuen Hebammenhilfevertrag gestritten. Nun ist er da und erntet harte Kritik. Viele Hebammen überlegen, ganz aufzuhören.
"Keine Hebamme betreut gerne vier Frauen gleichzeitig bei der Geburt."
Neue Abrechnungsregeln für Hebammen
Der Hebammenhilfevertrag regelt, welche Dienstleistungen Hebammen mit der Krankenkasse abrechnen dürfen sowie die Höhe ihrer Vergütung. Bis vor Kurzem galten für freiberufliche Hebammen für die meisten Leistungen Pauschalen – nun wird im 5-Minuten-Takt abgerechnet. Ein Nachteil vor allem für Geburtshelferinnen auf dem Land, findet auch Antje Marwede. Sie selbst ist freiberufliche Hebamme mit Sitz in Eschede. "Hebammen sind rar gesät", weiß sie. Für ihre Patientinnen fährt sie darum nicht selten quer durch den Landkreis. Ihr Stundenlohn falle mit der neuen 5-Minuten-Regelung schnell unter den Mindestlohn.
Denn Fahrzeit ist keine Arbeitszeit – auch nicht für Hebammen. Dauert der Hausbesuch im nächsten Ort weniger als eine halbe Stunde, sieht sie von der Krankenkasse knapp 30 Euro brutto – auch wenn sie insgesamt anderthalb Stunden unterwegs war.
Dazu kommt ein höherer bürokratischer Aufwand. Denn selbst Telefonate müssen sich die Hebammen von ihren Klientinnen nun handschriftlich quittieren lassen. Das führe laut Antje Marwede vor allem dann zu Schwierigkeiten, wenn Frauen telefonisch Rat suchen, die sie nicht mehr aktiv betreut.
Weniger Planungssicherheit – auch bei Kursen
Antje Marwede bietet für ihre Klientinnen auch Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse an. Bis vor Kurzem konnte sie Teilnehmerinnen, die trotz Anmeldung nicht zum Kurs erschienen, die Gebühren privat in Rechnung stellen – ein wichtiges Instrument, denn die Kursplätze sind begrenzt und Ausfälle machen sich schnell bemerkbar. Mit dem neuen Hebammenhilfevertrag fällt jedoch auch diese Möglichkeit weg.

Weniger Geld bei Mehrfachbetreuung im Krankenhaus
Besonders hart trifft es die Beleghebammen. Sie sind freiberufliche Hebammen, die in Kreissälen von Krankenhäusern und Kliniken arbeiten. Der neue Hebammenhilfevertrag sieht vor, dass sie pauschal 20 % weniger Vergütung als andere freiberufliche Hebammen bekommen. Außerdem neu: Betreuen sie mehrere Frauen gleichzeitig bei der Geburt, erhalten sie für die zweite und dritte Frau nur noch 30 % der Vergütung – ab der vierten Frau werden sie nicht mehr zusätzlich vergütet.
"Wir lassen keine Frau vor dem Kreissaal stehen."
An der Realität vorbei
Laut des GKV wolle man so die 1:1 Betreuung bei der Geburtshilfe fördern. "Mit der Personaldichte in Deutschland ist das nicht realistisch", bemängelt Antje Marwede. Außerdem erklärt sie: "Nur 4 % der Geburten finden am errechneten Termin statt. Geburten lassen sich nicht planen." Ob an einem Tag eine oder vier Schwangere gebären – die Geburtshelferinnen haben darauf keinen Einfluss. "Keine Hebamme betreut gerne vier Frauen gleichzeitig bei der Geburt", sagt Antje Marwede. Für die Hebamme steht aber trotzdem fest: "Wir lassen keine Frau vor dem Kreissaal stehen."
Der Blick in die Zukunft
Das Belegsystem ist in Norddeutschland eher die Ausnahme. Freiberufliche Hebammen betreuen ihre Klientinnen hier vor allem in der Schwangerschaft und im Wochenbett. Die Geburt wird meist von festangestellten Hebammen im Krankenhaus betreut. In anderen Teilen Deutschlands führt der neue Hebammenhilfevertrag jedoch schon jetzt zu Versorgungsengpässen. In Rottweil hat das gesamte Hebammen-Team der Helios Klinik gekündigt. Kein Einzelfall: Laut aktuellen Studien denken 44 % der Hebammen über einen Berufswechsel nach.
Auch wenn ihr Arbeitsalltag mit dem neuen Hebammenhilfevertrag schwerer wird – Antje Marwede denkt nicht ans Aufhören: "Es wird irgendwann wieder Verhandlungen geben."














