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Kolumne Celle – ein Gedicht, Folge 7: »Bukarest-Blues«

  • Extern
  • vor 3 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
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Von Adson Ulkner Schertz

 

Dreimal verschoben, doch hier kommt nun die Episode mit dem Celler Akkordeonspieler.

 

Wenn ich denn hin und wieder den Südwall entlanggehe, um über den Stadtgraben hinweg in den schönen, ruhigen Französischen Garten zu gelangen, treffe ich vor der Brücke, bei der Parkhauseinfahrt, oft den Akkordeonspieler, der dort auf einem Schemelchen sitzt und wacker um ein paar Münzen spielt. Nachdem ich meinen Euro-Obolus entrichtet habe, reichen wir uns dann immer die Hand und plaudern ein wenig, soweit es die eher kleine Schnittmenge gemeinsamer Sprache eben erlaubt. Er heißt Spiro, kommt aus Bukarest, und um 13:00 Uhr macht er Mittagspause. Letzthin leider meine ich eine größer gewordene Traurigkeit hinter seiner Zwinkermimik bemerkt zu haben, und seine resignierten Wegwerfgestiken werden mehr und immer noch kraftloser.

 

Bukarest-Blues

Traurige Clownsroutine, die da

immer, immer deutlicher durchscheint,

wie er da spielt auf seiner Ziehhar-

monika, Freude mimt und Furcht meint.

 

Kleine lustige Volkstanz-Skizzen,

agilmente allegro Impromptus.

Täglich auf jenem Hocker sitzen:

Bargeld erbeten! – Manchmal bekommst Du's.

 

Schmunzelfassade muss man's nennen;

wenn man nämlich genauer zusieht,

fällt es gar nicht so schwer zu erkennen:

In dir klingt ein rumänisches Blues-Lied.

 

›Du bist froh‹ heißt București,

Heimat südlich der Karpaten.

Du bist traurig, doch du lässt die

Tränen weiter auf sich warten.

 

Ziehst den Balg, dann quetscht du ihn wieder,

sonnenscheinbar lächeln und nicken –

inwendig geht ein Nieselhauch nieder;

Wehmut will auf Vergangenes blicken.

 

Menschen, Passanten, laufen, passieren;

Tage und Wochen, Jahre vergehen;

Muskeln erschlaffen, Finger verlieren

Flinkheit; die letzten Lieder verwehen.

 

Doch dann kommt diese Frau daher,

so lächelschön mit »Hallo«-Gruß

und Blickkontakt – und bitte sehr:

Schon morgenrötet sich der Blues.

 

In Wirklichkeit kommt an diesem Tag keine Frau vorbei, die lächelnd »Hallo!« sagt. Es kommt ein Kind, ein Junge, so ein regelrechter Rotzlöffel, wie mir scheint, etwa sechs Jahre alt vielleicht, frech bis in die Spitzen der straßenköterblonden Haare einer verfilzten Unfrisur. Schmolllippig selbstbewusst guckt er zu mir herauf, wie ich hier neben Spiro stehe, der eine Rundtanzmusik aus seiner Kommode quetscht. Als Spiro eine Pause einlegt, fragt mich der kleine Frechdachs keck: »Wann tanzt du?« Da bin ich leider baff. Wäre ich schlagfertig gewesen, hätte ich etwa antworten können: »Tanz du mal lieber ganz schnell ab hier – zum Beispiel zum Frisör oder in die Badewanne!«, aber ich bin so hin- und hergerissen zwischen einerseits Entrüstung und andererseits einer Art Geschmeichelt-Sein: Entrüstung, weil mich jenes abgebrühte Früchtchen unverschämt duzt; geschmeichelt, weil es mir offenbar wirklich Tanzfähigkeiten zutraut. Spiro und ich schauen uns an. Der zwinkert – und lässt mit Schelmenblick eine Polka erklingen! Jetzt sehen mich schon zwei Augenpaare erwartungsvoll an! – Also gut: Ich tanze. … Ich muss wie eine von Spasmen durchblitzte Marionette aussehen, die einem von Schüttelfrost geplagten Puppenspieler entgleitet. Aber Spaß macht's schon. Nach weniger als einer Minute zieht der kleine Bengel kopfschüttelnd ab. Spiro lacht laut, und allein hierfür hat es sich schon gelohnt. Dann kommt Spiros Pausenzeit. Wir stehen noch etwas da, nebeneinander, gemeinsam schweigend. Und sehnsüchtig blicken wir in die Ferne, er in seine Walachische Tiefebene und ich auf masurische Wiesen, ein jeder in sein ureigenes Arkadien stehengebliebener Zeit. Und lind geht ein ganz, ganz kleiner Wind.

 

Dass dies unsere letzte Begegnung ist, kann ich natürlich nicht wissen. Aber sie ist es, wie ich später lernen werde. Denn ich habe ihn seitdem nie wiedergesehen.


Akkordeonspieler, unter Verwendung einer Druckgrafik von 'Atelier Allernixe'
Akkordeonspieler, unter Verwendung einer Druckgrafik von 'Atelier Allernixe'


An dieser Stelle erscheint vierzehntäglich, jeden zweiten Freitag, die Kolumne »Celle – ein Gedicht« von Adson Ulkner Schertz. Wir gehen davon aus, dass es sich bei dem Namen um ein – nun ja: ulkiges Pseudonym handelt. Die Kolumnentexte landen in analoger Form auf Papier bei uns im Redaktionsbriefkasten. Wir sind bemüht, jeden Text mit einem passenden Foto zu illustrieren. Der ersten Kolumne war als »Autorenfoto« dieses Bild beigefügt.

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