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Kolumne Celle – ein Gedicht, Folge 5: »Herbe Blume«

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Von Adson Ulkner Schertz


Schon wieder war ich im Französischen Garten zugegen. Diesmal aber saß ich im kleinen, heckengrün eingefassten Rosengärtchen, in dem seit Dezember 2020 ein Denkmal für den seinerzeit berühmten Celler Dichter Ernst Konrad Schulze steht (das nun mit den zwei Barockfiguren von Aphrodite und Paris ein schmuckes Dreiecks bildet). Ich saß auf dem Holzbänkchen an der langen Nordseite und betrachtete also den großen Schulze-Kopf im Profil, wie er da dunkel steinern nach links blickend der hellen Dolomit-Stele aufgepfropft war, in die der gute Bildhauer Uwe Spiekermann umlaufend vier Verse aus Schulzes berühmtestem (und sehr umfangreichem) Gedicht der »Bezauberten Rose« gemeißelt hatte. Ein Teil meines Gehirns befasste sich noch bewundernd mit der lustigen Eigentümlichkeit des Wortes »pfropfen«, während der Rest versuchte, sich in die kurze Lebenszeit des Celler romantischen Dichters hineinzuversetzen (1789 – 1817; mit zarten 28 Jährchen an Lungentuberkulose verstorben), den der Erzähler in Arno Schmidts Steinernem Herzen – allerdings naserümpfend! – als »jungen Wohlklang« bezeichnet. Es war die sogenannte Franzosenzeit, Napoleonische Kriege, Frankreich dann vor allem gegen England, Befreiungskriege wider französische Besatzung: Celle war »oft am Morgen Französisch und am Abend Englisch«, wie Schulze 1813 schrieb (vgl. RWLE Möllers Beitrag zur Schulzestraße in seinem feinen Buch Straßen in Celle, 1995). Und dann die Liebe! Ernst, Sohn des Celler Bürgermeisters, war schwer verschossen in die siebzehnjährige Göttinger Hofratstochter Cäcilie – die ein Jahr nach dem Kennenlernen, gerade 18 geworden, stirbt (ebenfalls an Lungentuberkulose). Nach einer tiefen Trauerphase projiziert der liebeskranke Ernst sein Sehnen auf die ältere Schwester, Adelheit, obwohl er über diese wenige Monate zuvor in einem Brief noch geschrieben hatte, für viele sei sie »hübsch, für mich ein Meerkatzengesicht, für viele geistreich, für mich höchst unbedeutend, um nichts schlimmeres zu sagen«. Auch des Dichters Langgedicht der »Bezauberten Rose« »in drei Gesängen« dürfte zu nicht geringem Teil Trauerarbeit gewesen sein, weil die in eine Rose verzauberte Klothilde (auch ein Name) für ihn sicher auch Cäcilie war – und der sie final rettende Sänger Alpino freilich unser Ernst selbst. …


Schnitt!


Während ich solcherlei Gedanken nachhing, kam plötzlich ein bärtiger Berber, also ein Stadtstreicher in das unschuldige Rosengärtchen gestiefelt – und der wirkte wie ein

Wiedergänger des legendären Celler Originals »Rollo«, alias »Beton« (so genannt wegen seiner Ausdauer am Tresen; 2012 trotzdem gestorben). Denn wie jener Rolf G., vor allem bekannt eben als »Rollo«, in den 1980er und 1990er Jahren, pöbelpredigte nun auch dieser jetzige Starkstromer hier gegen »diese ganze Scheiße heutzutage!«, und eigenartigerweise hielt er in seiner einen Hand nicht etwa eine Bierdose oder eine Bierflasche, sondern ein feines Tulpenglas, das hälftig mit Pilsbier noch gefüllt war (also in Summe ganz: Hälfte Bier, Hälfte Luft; nicht nur die Schaumblume freilich längst weggesaugt). Der Schulze-Skulptur prostete er kurz zu – »Kussi, Kussi, Schnulzen-Schulzi!« – und gespielt schwankelwankend eierte er dann zielstrebig in meine Richtung, beugte sich zu mir herab und hauchte herbsten Hopfenatems rau: »Hier samma, hast du ma vielleich ma ne latscho Pimangero?!« – Woraufhin ich wahrheitsgemäß sagte, dass ich nur noch sehr, sehr selten rauchte und mit einem Zigarettchen also leider nicht dienen könne. Da ließ er sich enttäuscht neben mich auf die Holzbank plumpsen, und so saßen wir zwei Verlebten nebeneinander da und schwiegen dem Wachsen und Werden der jungen Rosen entgegen. Ich fühlte mich in den Sitznachbarn hinein, der eben noch vor der Ernst-Schulze-Skulptur gestanden hatte, als in mir diese Verse aufkeimten:


[Herbe Blume]


Im Celler Rosengarten stehen

und an Hopfen denken. …

Willst du mir eine Blume schenken,

musst du in die Kneipe gehen –


musst du in die Kneipe kommen,

bin doch nämlich längst schon hier,

habe meinen Sitz erklommen:

Humpen, Zapfhahn, Nektar Bier.


Blonde Königin im Glase,

schaumweiß feine Knisterkrone,

Blume auf der Willi-Vase,

blüh im Glanze dieses – gluckgluck –

Glückes, wie ich selber throne,

königsgleich auf Kneipenmöbel,

dir die Blumenblüte ruckzuck

raube und schon reichlich pöbel-

mäßig rülpse, Blumenschnitter,

Hopfenhenker, Malzassine. …


Später wandelt meine Miene

sich von jauchz! in sauer, bitter.


Hopfen, Hoffen, Hopfen, Hoffen:

Hat's sich einmal ausgesoffen?


Nun, ich für meinen Teil lebe ja im Wesentlichen von grünem Tee, Butterbrot und Äpfeln (Celler Dickstiel), aber jetzt waltete in mir ein Mitleiden, weshalb ich sehr gewillt war, den Rollo-Wiedergänger in den Schweine-Schulzen (Neue Straße 36) einzuladen – quasi von Schulze zu Schulze – auf paniertes Kotelett und klösterliches Doppelbock (obwohl der gute Udo dort nicht mehr kobert). Aber neben mir saß plötzlich niemand mehr. Der Celler Penner war verschwunden, hatte sich verdünnisiert. Ich war wieder allein.


Rosen, bezauberte, und Hopfen. … Meine Lieblingsblumen sind ja die Astern Gottfried Benns, der so gut leuchtende Ginster Ringelnatzens und die Sommerluft aufspießenden Disteln von Ted Hughes. Aber wen interessiert das? Kein Schwein und keinen Schulze!


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An dieser Stelle erscheint vierzehntäglich, jeden zweiten Freitag, die Kolumne »Celle – ein Gedicht« von Adson Ulkner Schertz. Wir gehen davon aus, dass es sich bei dem Namen um ein – nun ja: ulkiges Pseudonym handelt. Die Kolumnentexte landen in analoger Form auf Papier bei uns im Redaktionsbriefkasten. Wir sind bemüht, jeden Text mit einem passenden Foto zu illustrieren. Der ersten Kolumne war als »Autorenfoto« dieses Bild beigefügt.



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