Historischer Dämpfer für Merz: Das sagen Celler Politiker zur Kanzlerwahl
- Audrey-Lynn Struck

- 6. Mai
- 2 Min. Lesezeit

CELLE. Das gab es bei einer Kanzlerwahl noch nie: CDU-Chef Friedrich Merz hat am Dienstag im Bundestag im ersten Durchgang keine Mehrheit erhalten – trotz rechnerischer Mehrheit der Koalition aus CDU/CSU und SPD. Erst im zweiten Durchgang wurde Friedrich Merz als Kanzler bestätigt. Die ungewöhnliche Situation sorgt auch bei Politikern in Celle für gemischte Gefühle.
CDU Otte mahnt zur Besonnenheit
Henning Otte, CDU-Bundestagsabgeordneter für Celle/Uelzen, spricht im Zusammenhang mit der Kanzlerwahl von einer „Kuriosität“. "Der Fall hat im Inland und Ausland zu Irritationen geführt – auch bei mir persönlich." Das Abstimmungsergebnis führt er auf einige Abgeordnete zurück, die aus persönlichen Gründen dagegen gestimmt und so bereitwillig das große Ganze gefährdet haben. Sein Appell: "Wir müssen unsere Demokratie fürsorglich behüten und dürfen persönliche Beweggründe nicht über die Interessen des Landes stellen. Bei dieser Entscheidung ist deutlich geworden, worum es uns in der Politik gehen sollte: den Schutz der Demokratie." Wie ist nach so einem Ergebnis eine gute Koalitionsarbeit möglich? Henning Otte ist vorsichtig optimistisch: "Die Grundlage für unsere Arbeit ist der Koalitionsvertrag."
SPD sieht Verantwortung – und wenig Begeisterung
„Das ist gerade nochmal gut gegangen – und das ist auch richtig so. Es war jetzt die staatspolitische Verantwortung der Koalitionsparteien, dass Deutschland eine stabile Regierung bekommt", sagt Maximilian Schmidt, Vorsitzender der SPD im Landkreis Celle. "Friedrich Merz ist beileibe kein Wunschkandidat als Kanzler und die Schwarz-Rote-Koalition keine Traumhochzeit – im Gegenteil, sie ist schlicht die einzig mögliche demokratische Mehrheit und deshalb erforderlich." Dass die Mitglieder seiner Partei dem Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit zugestimmt hätten, zeige das Bewusstsein für die schwierige Lage. Maximilian Schmidt betont: "Entscheidend ist jetzt, dass die Arbeit zügig beginnt – die Koalition muss jetzt liefern!“
AfD spricht von „Debakel“ und Vertrauensverlust
Deutlich schärfer fällt die Kritik von Olaf Hilmer aus. Der AfD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Celle/Uelzen sieht im gescheiterten ersten Wahlgang ein klares Zeichen für eine schwache Koalition und mangelndes Vertrauen in Friedrich Merz – sogar innerhalb der eigenen Reihen. "Ein historisches Debakel, das die Instabilität der etablierten Parteien offenlegt. Merz’ Niederlage resultiert aus Verrat und Uneinigkeit in der Koalition." Für Olaf Hilmer ist das Ergebnis eine Quittung für Merz’ politische Vergangenheit "geprägt von Konzernnähe" und unklare Positionen. "Ich sehe darin die Quittung für Merz’ Bruch seiner Wahlversprechen und mangelnde Glaubwürdigkeit. Das Debakel schwächt das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie massiv."
Grüne sehen Koalitionsklima als Belastungsfaktor
Christian Ehlers, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag Celle, zeigt sich über das Abstimmungsergebnis nicht überrascht – für ihn ist es ein Zeichen tieferliegender Spannungen. „Das Ergebnis offenbart erhebliche Spannungen innerhalb der Koalition aus Union und SPD, zumal die Zahl der Verweigerer mit 18 Abgeordneten beträchtlich ist.“ Auch der politische Auftakt stößt bei ihm auf Kritik: „Mit Lobbygeschenken für die Fast-Food-Industrie den politischen Auftakt zu machen, erinnert stark an das ‚Mövenpick-Geschenk‘ der FDP vor einigen Jahren.“ Der Grünen-Politiker wünscht sich in der Bundespolitik eine sachliche Diskussionskultur und weniger Anfeindungen des Gegners. „Das Ergebnis im ersten Wahlgang hat sicher Irritationen in der Bevölkerung ausgelöst und zeigt, wie wenig professionell es ist, seine Meinung nicht während der Koalitionsgespräche zu äußern, sondern dies erst in einer geheimen Wahl zu tun.“
Nach dem knappen Erfolg im zweiten Wahlgang bleibt der Vertrauensschaden bestehen. Die Koalition steht unter Druck – und muss schnell zeigen, dass sie an einem Strang zieht.














