CELLE. Er hatte sicher auch die todgeweihte Lindenallee in der Breiten Straße im Blick, als er beim Neujahrsempfang vor wenigen Tagen im Rittersaal des Schlosses sagte: „Jeder Eingriff in die Natur wird gesetzlich vorgeschrieben ausgeglichen – direkt vor Ort oder an anderer Stelle.“ Statements wie diese legen die Vermutung nahe, der Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge baue vor. Dem gleichen Zweck könnten groß angelegte Baumpflanzaktionen mit Foto des gärtnernden Verwaltungschefs der jüngsten Zeit dienen.
Fest steht seit wenigen Tagen, dass der Denkmalschutz den Großteil der Bäume in der zur #Sanierung anstehenden #Breiten #Straße nicht vor der #Abholzung bewahrt. Wenig überraschend hat der untere im Neuen Rathaus angesiedelte Denkmalpfleger Lukas Brammer die Pläne der Verwaltung, bis auf 10 Linden alle übrigen rund 55 zu fällen, genehmigt. Fast schon zur Regel gewordene Fachaufsichtsbeschwerden aus den Reihen von Privatleuten, Zusammenschlüssen und Verbänden haben zwar bewirkt, dass das zuständige Dezernat unter Führung von Stadtbaurätin Elena Kuhls einen neuen Entwurf erarbeiten und vorlegen musste, in dem die original angelegten Fahrbahn-, Gehweg- und Grünstreifen-Breiten unverändert bleiben. Aber an dem vorgesehenen weitgehenden Kahlschlag kann die Obere Denkmalschutzbehörde nichts ändern. „Eine Bewertung der Vitalität von Bestandsbäumen in der Allee fällt nicht in die Zuständigkeit der Denkmalbehörden“, heißt es aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Bis Ende des vergangenen Jahres lag sie in Händen des Fachbereichsleiters für die Grünbetriebe, Verkehr und technische Dienste Jens Hanssen. Und dieser hat, wie jüngste Akten- und bereits länger zurückliegende Baumgutachten-Einsichten zutage befördert haben, einen falschen Eindruck vom Zustand der Linden in der Breiten Straße erweckt. So sprach er beispielsweise in der jüngsten Ratssitzung im Dezember 2022 von zu wenig Vitalität und zu viel Wurzelwerk. Vom Beginn der Diskussion an hieß es aus seinem Fachbereich, 11 Bäume seien abgängig, 31 weitere wiesen leichte bis mittelschwere Schäden auf, sie würden größtenteils Mühe haben, die anstehenden Sanierungsarbeiten zu bewältigen.
Fachleute sahen dieses offenbar anders: „Das Gutachten sagt klar aus, dass die Bäume insgesamt sehr (erstaunlich) gesund und damit erhaltenswert sind“, teilt der Co-Sprecher der Celler #Klimaplattform Wolfram Steinmetz, der das von der Stadt in Auftrag gegebene Baumgutachten zur Breiten Straße eingesehen hat, auf CH-Anfrage mit. Lediglich zwei Bäume wurden als abgängig eingestuft und zwischenzeitlich bereits gefällt. „Vorgeschlagen werden auch zahlreiche Maßnahmen, mit denen der Gesundheitszustand verbessert und gesichert werden kann“, teilt Steinmetz mit. Diese seien jedoch nicht umgesetzt worden. Jens Hanssen hatte in einer Zusammenkunft beispielsweise selbst von einer Schädigung der Bäume durch Verdichtung des Wurzelraums gesprochen, doch gegen die parkenden Fahrzeuge auf den Baumscheiben wurde über Jahre nichts unternommen, obwohl Befahren und Parken auf Grünstreifen nicht erlaubt ist, der Bußgeldkatalog eine Ahndung von mindestens 55 Euro vorsieht und die Kommune verpflichtet ist, geltendes Recht umzusetzen.
Die Thematik ist Teil der Fachaufsichtsbeschwerde, die die Klimaplattform gegen die Untere Naturschutzbehörde bei der übergeordneten Instanz im Umweltministerium stellte. Eine Entscheidung steht noch aus. Viel Hoffnung auf einen positiven Bescheid haben all diejenigen, die sich für den Erhalt der Linden stark gemacht haben, jedoch nicht mehr.
Am 1. März läuft die Fällperiode aus, es könnte also sein, dass noch in diesem Monat mehr als 50 gesunde und vitale Linden in der Breiten Straße gefällt werden.
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