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„Der Niedersächsische Weg ist noch lang“ - Landvolk und Grüne ziehen Zwischenbilanz


(von links) Martin Albers, Miriam Staudte, Johanne Gerlach, Carsten Wilhelm Drewes, Rolf Kuhlmeyer. Fotos: Susane Zaulick

BERGEN. Vertreter des Landvolks und PolitikerInnen der „Grünen“ in einer Veranstaltung, an einem Tisch, im konstruktiven Austausch. Was noch vor einigen Jahren visionär angemutet hätte, war am Freitagabend im Stadthaus Bergen Realität. Zum Thema „Niedersächsischer Weg – wo stehen wir, wo wollen wir hin?" hatte der Ortsverband der Grünen im Nordkreis gemeinsam mit dem Landvolk Celle eingeladen. Auf dem Podium Platz genommen hatten die Landtagsabgeordnete und als solche stellvertretende Fraktionsvorsitzende Miriam Staudte, der Geschäftsführer des Landvolks Celle, Martin Albers und Kreislandwirt Carsten Wilhelm Drewes sowie der Ortsverbandsvorsitzende der Grünen, Rolf Kuhlmeyer. Das Publikum war mit ca. 20 besetzten Plätzen zwar überschaubar, diskutierte aber am Ende engagiert mit.


Vor zwei Jahren haben Natur- und Umweltverbände gemeinsam mit Vertretern aus Landwirtschaft und Politik den „Niedersächsischen Weg“ erarbeitet. Das Maßnahmenpaket wurde im November 2020 vom Landtag verabschiedet und beinhaltet 15 Themenblöcke, angefangen vom Aktionsprogramm Insektenvielfalt über Biotop- und Artenschutzberatung bis hin zu mehr Ökolandbau. Für die Landwirtschaft ist dabei vor allem eines wichtig: „Dass wir einen fairen Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile hinbekommen wollen und dass das schriftlich festgehalten wurde“, erläuterte Martin Albers. Denn prinzipiell gebe es ein großes Interesse der Landwirte, Naturschutzmaßnahmen durchzuführen. Argwohn und Ängste entstünden aber in dem Moment, wo langfristige Einschränkungen drohten und das nicht von Anfang an offen kommuniziert werde. „Ein Landwirt denkt nicht bis zur nächsten Wahl, sondern in Generationen“, so der Geschäftsführer des Landvolk-Kreisverbandes.


Auch Miriam Staudte attestierte den Landwirten eine „große Veränderungsbereitschaft“, die dringend notwendig sei. In der Politik habe sich bei den Regierungsparteien ein Bewusstsein dafür allerdings erst im Laufe der Zeit eingestellt. Die Politikerin erinnerte daran, dass auch das Niedersächsische Landwirtschaftministerium erstmal gehofft habe, die Probleme mittels Imagekampagnen zu lösen. Erst das Volksbegehren Artenvielfalt habe schließlich dazu geführt, dass man sich im Land auf den „Niedersächsischen Weg“ geeinigt habe. Hier jedoch sieht Staudte, ebenso wie Martin Albers, aktuell noch wenig greifbare Erfolge.


„Aktionsprogramm Insektenschutz - leere Ankündigungen, Biotop- und Artenschutz - bisher nur Pilotprojekte, Ökolandbau - Niedersachsen bundesweit auf dem letzten Platz, Pflanzenschutz - keine klaren Reduktionsziele, weniger Flächenfraß - Maßnahmen zur Zielerreichung fehlen, faire Preise - Dialogrunden allein reichen nicht“, lautete ihre nüchterne Bilanz. Immerhin konnte Martin Albers berichten, dass das Landvolk Celle, gemeinsam mit dem Nachbarverband Gifhorn, dem Anglerverband Niedersachsen und der Aktion Fischotterschutz in Hankensbüttel bereits eine ökologische Station Südheide für die Betreuung von Naturschutzgebieten auf den Weg gebracht habe. Unter Regie der Landwirtschaftskammer sei zudem mit der Biodiversitätsberatung beim Landvolk Celle begonnen worden.


Einen Einblick in die Praxis gab Kreislandwirt Carsten Wilhelm Drewes, der in Baven einen Familienbetrieb mit Hofladen führt. Nach durchschnittlich einer Agrarreform pro Jahrzehnt, sei es nun so, dass Landwirte zwar anbauen können, was sie wollen und für jeden Hektar finanzielle Förderungen bekämen, aber mit Auflagen, zum Beispiel in Form des so genannten „Greening“, wie Flächenstilllegungen oder Zwichenfruchtanbau bezeichnet werden. Mit der neuen GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) ab 2023 sieht Drewes auf viele Betriebe Einkommensprobleme zukommen, da diese Reform zusätzliche Auflagen, zum Beispiel durch die Düngemittelverordnung, ohne zusätzliche Entschädigungen beinhalte.


Über die Preisgestaltung in der Landwirtschaft entspann sich im Anschluss eine lebhafte Diskussion, in der auch die Landtagskandidatin für den Wahlkreis Bergen, Johanne Gerlach, ihre Positionen einbrachte. Sie sieht höhere Verbraucherpreise für regional und biologisch angebaute Lebensmittel als Ausweg aus der Krise – verbunden mit finanziellen Umverteilungen in der Gesellschaft. Staatliche Hilfen würden oft „mit der Gießkanne verteilt“, auch an Menschen mit höheren Einkommen, kritisierte die Gymnasiallehrerin aus Hermannsburg.


Höhere Verbraucherpreise sehen die Landwirte indessen mit Argwohn. „Ich glaube nicht, dass der Markt dafür da ist. Das funktioniert vielleicht im Kleinen, aber nicht in der Großstadt und in sozialen Brennpunkten“, meint Carsten-Wilhelm Drewes. Martin Albers machte einen Gegenvorschlag: „Wir trauen uns auch, E-Mobilität umzusetzen. Wenn die Gesellschaft das will, macht man es mit Prämien“. Dass der Staat die Mehrkosten auch für eine ökologische Landwirtschaft übernimmt, sieht wiederum Miriam Staudte nicht als Lösung: „Zu viel Bürokratie“, so ihre Bedenken.


Ein ganz anderes Problem der Landwirtschaft sprach Arnold Winterhoff, Landwirt im Bioland-Verband aus Müden/Örtze, an. Biodiversität und Artenschutz, all das sei bei Bioland kein Thema für gesonderte Beratung – das mache man hier längst. „Aber Landwirte können keinen Boden mehr pachten oder kaufen bei den aktuellen Preisen. Wenn wir so weiter machen, werden wir keine Landwirte mehr haben“.


Die Antwort auf die Ausgangsfrage der Veranstaltung fasste Martin Albers zum Schluss so zusammen: „Der Niedersächsische Weg ist noch lang. Der Weg ist richtig, aber wir brauchen Zeit und einen langen Atem.“
















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