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+Update+ Polizei und SEK "überfallen" Kalli Struck




HAMBÜHREN/CELLE. Sie schossen die Tür auf, schlugen Scheiben ein, bedrohten ihn mit einer Waffe, fesselten ihn offenbar mit Kabelbindern. An beiden Händen erlitt er Blutergüsse. Die Rede ist nicht von einem Raubüberfall, sondern einem Polizeieinsatz gestern früh beim bekannten Celler Mäzen Kalli Struck.


Erst bellte sein Hund, dann gab es einen lauten Knall und riss den Unternehmer morgens um 6 Uhr aus dem Schlaf. Dreimal wurde Struck schon überfallen, er glaubte an einen weiteren, sprang aus dem Bett und holte seine Waffe aus dem Safe. Noch im Treppenhaus seien ihm bewaffnete Polizisten entgegengekommen. Geistesgegenwärtig habe der 76-Jährige seine Waffe fallenlassen und sich bäuchlings auf den Boden gelegt.


Das Spezial-Einsatzkommando fesselte umgehend den Unternehmer - nicht mit Handschellen, sondern laut Struck mit Kabelbindern. So fest, dass er Blutergüsse an beiden Händen erlitt. "Ich habe vor Schmerzen geschrien und sie gebeten, sie lockerer zu machen - aber sie nahmen keine Rücksicht, ich solle mich nicht so anstellen", erzählt der Senior-Chef des gleichnamigen Recycling-Unternehmens in Hambühren.


Zu dem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass die Polizei auch in seiner Firma alles durchsuchte und u. a. sämtliche Computer beschlagnahmte. "Die haben sogar alte Safes, die auf den Schrott gehören, aufgeflext und suchten offenbar nach einer Tatwaffe - das muss man sich mal vorstellen", ist der Musiker noch immer fassungslos. Er habe ebenfalls nicht geahnt, was die Polizei überhaupt von ihm wollte. Sein Blutdruck sei auf 190 gestiegen, ein Notarzt kam später hinzu.


Auch im Betrieb in Uelzen, der Gaststätte in Wietzenbruch und einer Niederlassung in Peine habe die Polizei alles aufgebrochen und durchsucht. Struck habe drei angemeldete Waffen sowie diverse antike Waffen aus dem 16. und 17. Jahrhundert - sie wurden beschlagnahmt.


Erst im Verlauf sei ihm klargeworden, dass er offenbar verdächtigt werde, mit den mutmaßlichen Schüssen auf den Vater der verschwundenen Mandy Müller in Verbindung zu stehen. Der Vater ist einer seiner Angestellten. "Ich ahnte natürlich, dass ich irgendwann vielleicht zu dem Fall befragt werden könnte. Auch gegen eine Durchsuchung hätte ich nichts gehabt - ich habe mich mein Leben lang immer kooperativ verhalten und bin als öffentliche Person jederzeit erreichbar. Aber dass die mich quasi überfallen, mir die Tür zerschießen und Scheiben einschlagen, mich dann noch körperverletzend fesseln, das gesamte Haus durchwühlen und nahezu verwüsten, das verstehe ich nicht", so Struck. Auch die Arbeit in den Betrieben sei nahezu unmöglich, nachdem alle Arbeitsgeräte beschlagnahmt wurden. "Ich bin für 70 Mitarbeiter verantwortlich, hoffentlich geht das gut aus." Doch als einzige Rat an diesem Tag habe man ihm lediglich mitgeteilt: "Heben Sie die Rechnungen für die Reparaturen an Ihrem Haus auf."


Bei den Durchsuchungen an den insgesamt elf Objekten habe die Polizei nach eigenen Angaben eine Vielzahl an Gegenständen sichergestellt. Die Maßnahmen waren gegen 15 Uhr abgeschlossen. An dem Großeinsatz waren mehrere hundert Polizeikräfte, darunter Spezialeinheiten, die Bereitschaftspolizei, Diensthundeführer als auch IT-Spezialisten beteiligt. Die PI Nienburg/Schaumburg wurde von Kräften aus Niedersachsen sowie NRW unterstützt.


Dass ausgerechnet er in Verdacht stehe, auf den Vater und seinen Mitarbeiter mutmaßlich geschossen zu haben - mutmaßlich, da bisher nicht einwandfrei geklärt sei, ob sich der Fall so zugetragen habe - macht ihn traurig. Er habe viel für die Familie getan, sich um sie gekümmert, war sogar auf der Demo mitgegangen, die "Gerechtigkeit für Mandy Müller" forderte - wie man ihn halt kennt, als Gönner, als Unterstützer, als Förderer, als Mann mit dem großen Herzen.


Bei allem Verständnis dafür, dass das Verschwinden von Mandy aufgeklärt werden müsse - aber ob dieses brachiale Vorgehen eines "Überfall-Kommandos" nötig gewesen und offenbar nur der blitzschnellen Reaktion des Beschuldigten zu verdanken ist, nicht auch die Waffe gezogen und damit ein weiteres Drama verhindert zu haben, wird wohl eine neue Akte in diesem Fall. Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen im Nachgang: "Es gab keine einzige Festnahme, weil kein dringender Tatverdacht gegen einen der Beschuldigten besteht."


CELLEHEUTE hat, wie bei allen anderen Themen gemäß unseres Verständnisses auch, Polizei und Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme eingeladen - wohlwissend, dass zu laufenden Ermittlungen nicht näher eingegangen werden kann und ohne den Einsatz an sich zu hinterfragen. Wir fragten: - Warum war aus Ihrer Sicht der Einsatz von mutmaßlichen Kabelbindern erforderlich mit den Folgen der Verletzungen, von denen wir uns persönlich überzeugt haben? Waren beispielsweise Handschellen nicht verfügbar? - Welche Gefahr sahen die Einsatzkräfte von einem 76-jährigen mutmaßlich bereits am Boden liegenden Mann ausgehend, dass das Fesseln unter den o.g. Umständen erforderte?

- Wurde bei den anderen Durchsuchungen ähnlich vorgegangen?


+Update+

Die Polizei Nienburg/Schaumburg antwortet wie folgt:


Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der 76-Jährige legal Umgang mit Schusswaffen haben darf und wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt wird, bei dem es zu Schussabgaben gekommen sein soll, galt es den Einsatz der Polizei zu sichern, weshalb ein Spezialeinsatzkommando eingesetzt wurde. Zudem sollte einsatztaktisch ein Überraschungsmoment genutzt werden, um den möglichen Verlust von Beweismitteln zu verhindern.


Diesbezüglich nehme ich zu Ihren Fragen wie folgt Stellung


- Warum war aus Ihrer Sicht der Einsatz von mutmaßlichen Kabelbindern erforderlich mit den Folgen der Verletzungen, von denen wir uns persönlich überzeugt haben?


Die eingesetzten Spezialeinheiten haben aus taktischen Gründen Kunststoff -Einweghandfesseln verwendet. Diese sind insbesondere neben Metallfesseln eine geeignete Möglichkeit zur Fesselung von Personen. Dabei gehen die eingesetzten Kräfte ihre Maßnahmen mit größtmöglicher Sorgfalt an, wobei leichtere Verletzungen jedoch nicht immer ausgeschlossen werden können.

- Welche Gefahr sahen die Einsatzkräfte von einem 76-jährigen mutmaßlich bereits am Boden liegenden Mann ausgehend, dass das mehrstündige Fesseln unter den o.g. Umständen erforderte?


Die betroffene Person wurde von den Spezialeinheiten festgesetzt und anschließend den Durchsuchungsbeamten übergeben. Dabei wurde eine Fesselungsdauer von 30 Minuten nicht überschritten. Die Dauer der Fesselung ist somit deutlich kürzer als die von Ihnen genannte Zeit. Die Fesselung war nach vorheriger objektiver Bewertung des Einsatzszenarios angemessen und auch erforderlich.


- Wurde bei den anderen Durchsuchungen ähnlich vorgegangen?


Das polizeiliche Vorgehen bzw. die Initiierung von Eingriffsmaßnahmen gründen immer auf einer objektiven Bewertung der vorliegenden Informationen und einer damit einhergehenden Lage- und Gefährdungseinschätzung. Es ist somit davon auszugehen, dass eine vergleichbare Einsatzursache auch ähnliche polizeiliche Vorgehensweisen zur Folge hat. Unter diesen Gesichtspunkten ist bei weiteren Objekten ebenso das Spezialeinsatzkommando zum Einsatz gekommen.


Hinweis der Redaktion: Ein Verständnisfehler und die sichtbaren Verletzungen ließen ursprünglich vermuten, dass die Fesselung länger dauerte. Das ist nicht der Fall.



Verletzungen an den Händen, aufgenommen am 23.3.2023. 18:30 Uhr, ca. 36 Stunden nach der Fesselung.


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