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Audrey-Lynn Struck

"Weihnachten – Zeitenwende" - Die Weihnachtspredigt von Pastor Uwe Schmidt-Seffers





NIENHAGEN. Die Weihnachtspredigt aus der Nienhäger St. Laurentius-Gemeinde, gehalten von Pastor Uwe Schmidt-Seffers. Liebe Gemeinde am Heiligen Abend,

Weihnachten – wie könnten wir es in diesem Jahr feiern, ohne auf das Wort des Jahres einzugehen: Zeitenwende. Bundeskanzler Scholz hat dieses Wort in seiner Rede nach dem russischen Überfall auf die Ukraine benutzt. Er sagte: „Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach, ist nicht mehr die Welt davor.“


Zeitenwende – die Zuhörer waren überzeugt. Genau das traf es ja in ihren Ohren.

Dabei ist dieser Begriff gar nicht neu: Er wird seit Ewigkeiten verwendet, um den Beginn der christlichen Zeitrechnung zu beschreiben. Die Welt vor der Geburt Jesu, sagten die Christen, war eine andere als die nach ihm. Darum begannen sie von Neuem zu zählen.


Jesu Geburt war in ihren Augen wie ein Neustart der Geschichte, weil sie verstanden hatten: Nur das soll in Zukunft zählen, was Jesus Gottessohn am Herzen gelegen hat: Friede. Barmherzigkeit. Gerechtigkeit. Gottvertrauen. Leidensbereitschaft. Vergebung. Unbedingter Einsatz des ganzen Lebens für die Mitmenschlichkeit.


Zeitenwende. Dass das Wort „Wende“, liebe Gemeinde, etwas ist, mit dem speziell wir Deutschen sehr viel anfangen können, ist erst seit drei Jahrzehnten klar.


Die Älteren erinnern sich. Egon Krenz hat diesen Begriff geprägt. Er wollte durch die Wahl dieses unverfänglichen Wortes die Deutungshoheit über die Vorgänge in der DDR 1989 behalten. Von einer Friedlichen Revolution wollte er nicht reden. Das klang ihm viel zu umstürzlerisch. Man wollte doch lieber fest im Sattel der Macht sitzen bleiben.


Zeitenwende – dieser Begriff kommt ganz harmlos daher. Eine Wende kann immerhin Gutes bringen oder Schlechtes. Aber er verschleiert auch, weil er sich so schön anhört, was Sache ist. Und die lautet: Es ist Krieg in der Ukraine. Und wir bekommen ihn zu spüren. Härter und einschneidender als uns lieb ist.


Auch unsere Weihnachtsgeschichte kommt mit einem missverständlichen Begriff daher. Luther hat in seiner unnachahmlichen Sprachkunst von einer „Schätzung“ auf Geheiß des Kaisers geschrieben – in unseren Ohren klingt das fast rührend. Wer hört bei diesem Auftakt der Weihnachtsgeschichte nicht den Begriff Wert-Schätzung mit. Dieser Begriff steht bei uns seit einiger Zeit hoch im Kurs. Gibt es jemanden unter uns, der nicht wert-geschätzt werden möchte? Aber darum ging es dem Kaiser nicht. Ihm ging es um ein Dogma, das steht tatsächlich im lukanischen Urtext so.


Ein Dogma ist ein Befehl, ein Gebot – und hier ist es der Befehl zur Volkszählung. Von wegen: Dogmen gibt es nur in der Kirche. Der Kaiser lässt sein Volk zählen, weil alles, was für ihn zählt, künftige Steuerzahlungen der unterdrückten Völker an die Staatskasse in Rom sind.


In dieses Räderwerk der Geschichte sind Maria und Josef hineingeraten. Vielleicht verstehen wir an diesem Heiligen Abend deutlicher als in den Jahren zuvor, wie es sich anfühlt, wenn Menschen wie Maria und Josef sich fragen:

Was soll das bloß werden mit uns?

Die Weihnachtsgeschichte: Sie handelt von Ohnmacht, von der Arroganz der Mächtigen, die meinen, sie könnten die Menschen nach Belieben herumschubsen. Und sie handelt von Menschen, die sich eben diese Fragen stelle: Was soll das bloß werden mit uns? Darum höre ich in diesem Jahr die Botschaft der Engel „Fürchtet euch nicht!“ mit besonderer Aufmerksamkeit. Nicht nur Maria hat den Engel diese Worte sagen gehört, als er ihr mitteilte, sie würde ein Kind bekommen; auch die Hirten auf dem Feld haben ihn vernommen: Fürchtet euch nicht.

Fürchtet euch nicht? Ich höre Stimmen aus der Gegenwart, die diesem Satz vehement widersprechen und sagen: Fürchtet euch endlich. Fürchtet euch angesichts der tausend Krisen, die auf uns einstürmen. Wir sind die letzte Generation, die etwas verändern kann.


Fürchtet euch nicht? Ich verstehe die Botschaft der Engel nicht so, als wollten sie uns einreden, es gäbe keine Gründe sich zu fürchten. Die gab es für Maria und die Hirten. Auch wer mit dem Abglanz des Himmels in Berührung kommt, kann sich fürchten. Denn: Wo Gott im Spiel ist, da geht es immer ums Ganze, und das kann uns ängstigen.


Noch einmal: Gründe zum Fürchten, die gab es für Maria, die gibt es für uns, und sie wird es immer geben. Sich zu fürchten ist ja nicht etwa schlecht, wenn wir die Furcht verstehen als Warnung an uns, vorsichtig und umsichtig zu sein.


Wenn ich den Herrnhuter Stern unter die Traufe unseres Kirchdaches hänge, muss meine Frau mich nicht ermahnen, vorsichtig zu sein. Das bin ich, weil ich nicht gerne auf Leitern steige. Aber wenigsten der Stern an der Kirche muss sein, finde ich. Also steige ich die Leiter hinauf.

Wenn also die Engel sagen „Fürchtet euch nicht!“ geht es ihnen um den zweiten Schritt aus der Angst heraus. Reine Appelle hören wir ja genug in unserer Zeit: Seid solidarisch. Denkt an die anderen. Kümmert euch.

Diese Appelle sind gut und richtig, aber sie beantworten die Frage nicht: Wie kann ich denn solidarisch sein? Woher bekomme ich denn die Zuversicht, dass ich mich nicht fürchten muss?

Der Mehrwert der Botschaft der Engel – er liegt in einem Perspektivwechsel, damit meine ich den Wechsel der Blickrichtung weg von der Angst – hin zu dem Heiland, dem Kind in der Krippe.

Ja, das klingt jetzt fromm und für erwartbar. Das muss ein Pastor ja sagen, werden manche denken – aber ich sage es aus vollem Herzen, weil für mich der Weg Jesu tatsächlich der Weg zum Leben ist.

Ich sage das auch, weil ich mich für erlösungsbedürftig halte. Ich weiß, dass das nicht besonders attraktiv klingt. Wir leben in einer Zeit mit ihrem ganz speziellen Dogma. Dem Dogma der Autonomie des Menschen und seiner Selbstmächtigkeit.


Aber eines will ich euch sagen: Ich will gar nicht absolut autonom und absolut selbstmächtig sein. Und wenn Ihr ehrlich in Euch hineinhorcht, erinnert ihr Euch an Momente, in denen Ihr gerade nicht nur für Euch sein wolltet. Es liegt auch eine Schönheit darin, auf andere angewiesen zu sein.

Wie kann ich mich selbst in den Arm nehmen? Geht nicht! Wir können uns nicht selbst trösten und auch nicht alle die Antworten finden, die wir auf unsere Fragen suchen.

Wie gut, dass es diese Menschen gibt, die uns helfen, die zu werden, die wir sind. Ich gestehe es: Ich brauche Menschen, die mich heil machen, die mir helfen herauszukommen aus den Gedenken, die mich blockieren oder den Sorgen, die ich mir mache.


„Ein Hoch auf uns“, singt Andreas Bourian in einem seiner Lieder – und ich denke bei mir: Bitte nicht. Ich verkümmere innerlich, wenn ich nur aus mir selbst schöpfe, wir verkümmern als Gesellschaft, wenn uns nichts anderes mehr eint als der Blick auf den eigenen Wohlstand und nur das zählt, was sich rechnet.


Die Engel haben sich einer anderen Rechenart verschrieben, als die, die wir lernen: Die Engel rechnen fest mit der unscheinbaren jungen Maria, dass sie bereit ist, einen mühevollen, sehr mühevollen Weg zu gehen Die Engel rechnen mit den unansehnlichen Männern auf dem Feld, dass gerade sie die Nachricht von der Geburt des Kinder verbreiten.


Und die Engel – Gott sei Dank, sie haben sich nicht verrechnet, weil wir heute hier sind nach über 2000 Jahren und uns ansprechen lassen von ihrer alten Botschaft „Fürchtet euch nicht!“

Aber noch einmal zurück zum Perspektivwechsel, den die Engel anregen. Wenn sie sagen „Fürchtet euch nicht!“ und singen „Ehre sei Gott in der Höhe“ ist das keine fromme Dudelei. Hier stellt sich letztlich, sagen wir es deutlich: die Machtfrage. Hier geht es darum, auf wen wir hören und wem wir gehören wollen.


„Ehre sei Gott in der Höhe“ ist auch ein politisches Bekenntnis. Damit bekunden die Engel: Nein, nicht Augustus ist es, der das letzte Wort haben soll.


Sondern? Das Kind in der Krippe. Der Name Jesu heißt ins Deutsche übersetzt: Gott hilft. Er soll das letzte Wort über uns haben.

Wer sich nicht als hilfsbedürftig erlebt, wird mit diesem Kind in der Krippe nichts anfangen können. Der erwachsen gewordene Jesus wird später sagen:

Ich bin nicht für die Gesunden gekommen.

Ich bin für die gekommen, die in sich zerrissen sind, die ausgestoßen sind oder sich so erleben, ich bin für die gekommen, die unter dem Unfrieden in der Welt leiden und die sich nach Gott sehnen. Für die will ich da sein. (Markus 2,17)


Dieses Programm Jesu, liebe Gemeinde, ist in der Geschichte der Menschheit so anders und so neuartig gewesen, dass man angefangen hat, diesen Geburtstag zum Wendepunkt in der Zeitrechnung zu machen. Weihnachten Zeitenwende.


Aber bei dieser einen Zeitenwende soll und kann es nicht bleiben. Im Grunde soll sie sich vervielfältigen und sich aktualisieren. Angelus Silesius, der Lyriker und Theologe, hat vor mehr als 300 Jahren diesen Satz gesagt:

Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in Ewigkeit verloren.


Womit er sagen will: So wie die Engel mit Maria und den Hirten gerechnet haben, rechnet Gott mit Dir, mit uns. Heute. Dein Herz ist die Krippe, in der Gott von Neuem geboren werden will. Wir sind nicht nur Rädchen im Getriebe der Herrschenden.

Wir sollen uns verstehen lernen als Menschen, die ihre Freiheit gebrauchen, Salz der Erde zu sein und Licht der Welt. Das ist das Neuartige an Jesu Programm:

Die Verhältnisse von oben und unten müssen nicht ewig bleiben.

Diese Hierarchie ist ein Kennzeichen der alten Zeitrechnung – in der neuen Zeit können die Kleinen ganz groß werden, und die Großen vergeben sich nichts, wenn sie sich klein machen und mal nicht im Rampenlicht stehen.


Jesus mutet seinen Freundinnen und Freunden viel zu. Damit meine ich nicht, er würde uns überfordern. Das kann eine Zumutung ja auch sein. Ich meines die Zumutung der Art, die im anderen den Mut weckt, das zu tun, was er oder sie in einer konkreten Situation für not- wendig hält.


Einen Schritt machen trotz der Angst, die man in sich spürt und erfahren: Es geht tatsächlich.


Uwe Schmidt-Seffers

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