Neulich kam mir ein alter Hit von Udo-Jürgens in den Sinn. Er hat es 1984 mit seiner damals 17jährigen Tochter Jenny gesungen – aber das musste ich erst einmal googeln. Ich hatte nur die Melodie im Kopf und diese eine Zeile „Ich wünsch Dir Liebe ohne Leiden!
Ich vermute, dass mir das Unterbewusstsein diese Zeile in die Erinnerung gespült hat, weil mir in diesen Tagen das Schicksal eines Ehepaares sehr zu Herzen geht. Im vergangenen Jahr haben die beiden bei uns in der Kirche Goldene Hochzeit gefeiert. Ein wunderbares Paar. Gemeinsam haben die beiden viele Hochzeiten und schwierige Phasen durchliebt. Sie standen und stehen wirklich in guten und bösen Tagen zusammen, so wie sie es sich einmal versprochen haben. Die goldene Braut war im vergangenen Jahr bereits krebskrank, und jetzt … jetzt sind ihre Tage wirklich gezählt. Ihr Mann sorgt sich so herzlich um sie, Tag und Nacht, und er ist dankbar, dass er sich zuhause um seine sterbenskranke Frau kümmern kann. Jeder Tag mit ihr ist ein Geschenk, sagt er, obwohl er kaum zur Ruhe kommt und seine Frau trotz bester medizinischer Betreuung alles andere als schmerzfrei ist.
Auf dem Hintergrund dieser Liebes-Geschichte finde ich, dass der Wunsch einer „Liebe ohne Leiden“ mit unserem wirklichen Leben und vor allem mit der Liebe wenig zu tun hat. Natürlich verstehe ich, warum Udo Jürgens diesen Wunsch äußert: Wer will seinem Kind, auch wenn es schon fast erwachsen ist und bald eigene Wege geht, nicht vor allem Leid bewahren und vor allem das Beste wünschen?
Ich frage mich aber: Ist der Wunsch einer „Liebe ohne Leiden“ wirklich das Beste, was wir anderen und uns wünschen können? Ich meine, das Leben lehrt uns doch, dass eine wirkliche, tiefe Liebe sich durch ein echtes Mitleiden auszeichnet. Wem das Wort „Mitleid“ zu verbraucht vorkommt, das Wort Sympathie meint genau dasselbe. Wer einen anderen Menschen sympathisch findet, bekundet im Grunde auch seine Bereitschaft, in guten wie bösen Tagen an seiner Seite zu stehen. Findet Ihr nicht?
Auch in der vor uns liegenden, letzten Woche vor Ostern bedenken Christen diesen Zusammenhang von Liebe und Leiden. Das ist ja das revolutionär Neue an Jesus von Nazareth gewesen: Gerade weil er von der Liebe Gottes so einzigartig gesprochen hat, fühlte er sich zu denen hingezogen, die das Leben in Mitleidenschaft gezogen hat. Krank, ausgegrenzt, schuldig geworden, ohne Gottvertrauen, unter die Räuber gefallen, auf Holzwegen unterwegs – Jesus hat sich empfindlich gemacht, ohne Hornhaut auf der Seele zu haben war er bereit, den Schmerz der anderen zu seinem eigenen Schmerz zu machen, um ihn aus der Welt zu schaffen. Liebe und Leiden sind für den Gottessohn zwei Seiten ein und derselben Medaille. Darum: Wenn Du nachts nicht in den Schlaf kommst, weil du dich um die Zukunft deiner Kinder sorgst, weil dir deine kranken Eltern am Herzen liegen, wenn du dich empörst wegen der Grausamkeiten und der Ungerechtigkeit in der Welt – dann ist dieser Schmerz in dir die andere Seite der Liebe, die in dir ist. Und wenn du fragst: Was hab ich von diesem Schmerz der Liebe in mir, vor dem ich am liebsten fliehen möchte? Dann würde Jesus sagen: Selig bist du, ich will dich trösten, das heißt: Ich gebe dir Halt – und bitte, bitte hör nicht auf, ein ganzer Mensch zu sein, denn nur ganze Menschen leben diese Verbindung von Liebe und Leiden. Auch wenn es oft wehtut. Aber es ist ein Schmerz der Liebe, vergiss das nicht. Bleibt behütet. Pastor Uwe Schmidt-Seffers
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