BERLIN/WIETZE. Praktikanten sind im Alten- und Pflegeheim Bode in Wietze nicht unüblich. Zum ersten Mal kam jedoch eine Bundestagsabgeordnete zum Probearbeiten. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Anja Schulz nahm sich Zeit, um in den Arbeitsalltag einer Pflegekraft hineinzuschnuppern und wundert sich über Bürokratiewahn und mangelhafte Arbeitsvermittlung. 50 KollegInnen kümmern sich dort um 115 Bewohner. Der Kräftemangel in der Pflegebranche sei so groß, dass inzwischen weltweit gesucht werde. Eine Integrationsbeauftragte helfe hier bei der Vorbereitung auf die Prüfungen, bei der Wohnungs- und Sprachkurssuche oder dabei, Familienangehörige nachzuholen.
Die "Praktikantin" hat erfahren, dass es ca. 25.000 Euro kostet, eine Fachkraft aus dem Ausland zu werben und zu integrieren, meist über private Agenturen. "Wieso diese Arbeit nicht von der Agentur für Arbeit geleistet werden kann, die um den Fachkräftemangel weiß, sondern von den Heimen gestemmt werden muss, verstehe ich nicht," so Schulz.
Nicht die einzige Baustelle: „Wenn ich sehe, dass die Digitalisierung eigentlich ein Werkzeug ist, um das Arbeiten zu erleichtern, finde ich es erschreckend, wie sie genutzt wird, um die Pflege mit zusätzlicher Bürokratie zu drangsalieren", so die Abgeordnete.
An der mangelnden Unterstützung habe sich bis heute wenig geändert. „Eigentlich ein Unding: Es wird immer das Bild von kommerzialisierten Pflegeeinrichtungen verbreitet, die jeden Cent auspressen, auf Kosten der Qualität. Dass ein familiengeführtes Haus allerdings auch für sich selber vorsorgen, Reserven für schlechte Zeiten anlegen und Investitionen tätigen muss, darüber redet niemand“, konstatiert Anja Schulz. In ihren Augen sei erfolgreich Wirtschaften kein Unding und nicht an mangelnder Qualität gebunden. Davon habe sie sich durch das Praktikum "eindrucksvoll selbst überzeugen können", wie sie weiter ausführt.
Würde Schulz denn vom Bundestag in die Pflege wechseln? „Ich glaube niemand, der das nicht erlebt hat, kann sich vorstellen was für ein erfüllender Beruf die Pflege sein kann, gleichzeitig aber auch enorm fordernd und anstrengend. Ich würde nicht tauschen wollen. Aber ich bin froh, dass es Einrichtungen wie diese und Pflegefachkräfte gibt, die sich vor allem für Ältere einsetzen. Denn dahin werden wir alle einmal kommen." Oder zumindest viele.