Wort zum Montag
11. Juni 2023
Christina Bernschein, Hambühren
Es ist schon absurd. Kaum kündigt sich Besuch an, fange ich an, aufzuräumen. Auch an echt überflüssigen Orten. Dabei habe ich noch nie Besuch gehabt, der mit weißen Handschuhen über meine Regale wischt und schaut, wie viel Staub sich dort angesammelt hat. Denn wenn Besuch kommt, ist eigentlich anderes wichtig. Miteinander zusammen sein. Miteinander reden, gemeinsam etwas Essen und Trinken.
Ist ja bei mir auch so, wenn ich in anderen Wohnungen zu Gast bin. Da geht es mir um die Menschen, mit denen ich zusammen bin. Gleichzeitig weiß ich, dass ich nicht die einzige „Panikaufräumerin“ bin. Auch Zeitschriften und Internet sind voll von klugen last-Minute Ordnungs-Tipps. Es ist ja nichts gegen Ordnung einzuwenden, aber irgendwie geht das auch an der Sache vorbei. Dann, wenn das Bild im Vordergrund steht, das andere von mir haben sollen.
Wenn wir immer alles auf Hochglanz polieren und auch die hintersten Flecken entfernen, machen wir auch unsere Lebensspuren unsichtbar. Das, was uns sonst in Atem hält. Manchmal hilft diese Struktur. Manchmal aber bräuchten wir jemanden, der sieht, womit wir sonst so zu kämpfen haben, der sich vom ungesaugten Flur nicht abschrecken lässt und sich mit uns zwischen die Kinderspielzeuge und leeren Pfandflaschen, zwischen die unsortierten Fotoalben, das ungespülte Geschirr und die ungelegte Wäsche setzt, und uns zuhört.
In der Bibel heißt es: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ Da gibt es also schon einmal einen, der über diese ganzen „un-s“ hinwegsieht und uns selbst im Blick behält. Und dann, dann gibt es da auch noch Menschen, für die wir nicht in den Panik-Aufräummodus verfallen. Weil sie sehen dürfen, was los ist. Weil sie uns durch diese Zeiten hindurchtragen. Wer darf unangemeldet bei dir vorbei kommen? Bleib behütet in dieser Woche!