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Kinderarztsuche in Celle: Ausgebuchte Praxen, genervte Eltern


Kinderarzt
Foto: Pixel-Shot / stock.adobe.com

CELLE. „Ich weiß nicht mehr, wo ich hingehen soll.“ „Das ist in Celle eine Katastrophe.“ „Ich habe mich durch sämtliche Praxen telefoniert.“ So und ähnlich klingen die Statements von Müttern und Vätern, die auf der Suche nach einem Kinderarzt sind. Mit der Schließung der Praxis von Dr. Susanne Berger zum Jahresende scheint sich die Situation zugespitzt zu haben. Zwar haben zwei ansässige Praxen den kassenärztlichen Kinderarzt-Sitz übernommen, das bedeutet aber offenbar nicht, dass die Patienten von Dr. Berger dort auch kurzfristig einen Termin erhalten.


Ein verwitweter Vater erzählt von seinem achtjährigen Sohn, der bisher aufgrund einer chronischen Erkrankung regelmäßig Medikamente verschrieben bekam. Im Celler Centrum für Kinder- und Jugendmedizin sei ihm ein Termin für April angeboten worden. Die Mutter eines Vierjährigen, der wegen einer Fußfehlstellung zwei mal pro Woche zur Physiotherapie geht und hierfür Überweisungen braucht, äußert sich ebenfalls frustriert. „Versuchen Sie mal, überhaupt telefonisch jemand zu erreichen. Ich habe es über 50 mal versucht und bin schließlich persönlich hingegangen. Da wurde mir dann gesagt, die Termine seien sechs Monate im Voraus ausgebucht.“ Immerhin: Weil jemand einen Termin im März abgesagt hatte, muss sie nicht bis zum Sommer warten.


Die Unzufriedenheit geht bei einigen über das lange Warten auf einen Termin hinaus. Sie kritisieren, dass Wartezimmer überfüllt seien, Ärzte sich keine Zeit für ein ausführliches Gespräch nähmen, eine Atmosphäre von Hektik und Stress zu spüren sei. Dadurch steigt offenbar das Bedürfnis, mal einen anderen Kinderarzt „auszuprobieren“. Doch das Fazit lautet: „Man kann nicht einfach wechseln wenn man unzufrieden ist“. Das bestätigt auch der Vater des achtjährigen Jungen, der sich bei Frau Berger über Jahre gut aufgehoben fühlte: „Ich bin im Kreiselternrat und sehe, dass viele die gleichen Probleme haben.“


Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen ist das Problem bekannt - nicht nur aus Celle. „Die medizinische Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Deutschland wird immer wieder von Eltern kritisiert. Lange Wartezeiten auf Termine, Aufnahmestopps und kein Kinderarzt vor Ort sind die Kritikpunkte. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) wird dann schnell aufgefordert: Schafft mehr Praxen für Kinder- und Jugendärzte. Aber so einfach ist das gar nicht“, teilt der Sprecher der KVN, Detlef Haffke, auf eine Anfrage von CELLEHEUTE hin mit.


Er erläutert: „Auch für die KVN gilt eine gesetzliche Grundlage – die sogenannte Bedarfsplanung. Die neue Bedarfsplanung ist am 17. Februar 2020 in Kraft getreten. Grundsätzlich gibt es sie aber schon seit den 90er Jahren. Ärzte (auch Kinder- und Jugendärzte) oder Psychotherapeuten, die gesetzlich versicherte Patienten ambulant behandeln möchten, benötigen einen Kassenarztsitz. Wie viele es davon in einer Region gibt, regelt die so genannte Bedarfsplanung. Die Bedarfsplanung ist im Sozialgesetzbuch V gesetzlich geregelt. Die Richtlinien zur Bedarfsplanung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Berlin erarbeitet. Der GBA besteht aus Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen. Es gibt festgelegte regionale Betrachtungsräume und Verhältniszahlen ‚Bevölkerung zu Ärzten‘ einer Fachrichtung.


Für niederlassungswillige Ärzte und Psychotherapeuten ist von Bedeutung, ob der für sie in Frage kommende Planungsbereich „offen“ oder „gesperrt“ ist. Liegt der Versorgungsgrad einer ärztlichen Fachrichtung in einem Zulassungsbezirk unter 110 Prozent, können sich in der Regel dort weitere Ärzte einer Fachrichtung niederlassen. Wieviel Niederlassungen möglich sind, hängt vom Versorgungsgrad ab. Der Versorgungsgrad berechnet sich aus der Einwohnerzahl (bei Kinder- und Jugendärzten Einwohner bis 18 Jahre) in einer Region und der jeweiligen Anzahl von Ärzten einer Fachgruppe. Zur Berechnung liegt immer eine Verhältniszahl zugrunde (z. B. ein Hausarzt soll 1.609 Einwohner versorgen, ein Augenarzt 12.460 Einwohner etc.). Die Verhältniszahlen können in den einzelnen Bereichen leicht variieren. Je niedriger der Versorgungsgrad, umso mehr Ärzte der Fachrichtung können sich dort niederlassen. Oder anders ausgedrückt. Versorgungsgrade unter 100 % zeigen einen Bedarf auf.

Ein Planungsbereich gilt als überversorgt und damit für zusätzliche Arztsitze gesperrt, wenn die Arztdichte einer Fachgruppe einen Wert über 110 Prozent übersteigt. Es gilt ein Zulassungsstopp. Ärzte und Psychotherapeuten können sich dort nur dann neu niederlassen oder anstellen lassen, wenn ein anderer Arzt oder Psychotherapeut seine Zulassung zurückgibt und damit ein Kassenarztsitz in der Fachgruppe frei wird. Sinkt der Versorgungsgrad bei Hausärzten unter 75 % und bei Fachärzten unter 50 % sprechen wir von Unterversorgung. Dann muss die KVN dort einen Arzt etablieren, da sie den Sicherstellungsauftrag hat.“


Zur konkreten Situation in Celle nimmt die KVN wie folgt Stellung: „Im Landkreis Celle leben aktuell 30.589 Kinder und Jugendliche. Ein Kinder- und Jugendarzt soll 2.833 Kinder und Jugendliche versorgen. 12,75 Kinder- und Jugendärzte sind niedergelassen. Der Versorgungsgrad liegt bei 112,3 Prozent. Es können sich keine weiteren Kinder- und Jugendärzte niederlassen. Der Landkreis ist für Neuniederlassungen gesperrt. Gibt ein Arzt seine Kassenzulassung zurück (aus Altersgründen oder Umzug), dann ist der Praxisinhaber in der Regel bestrebt, auf Eigeninitiative einen Nachfolger zu finden. Gelingt ihr/ihm dies nicht, dann wird die Praxis nach spätestens sechs Monaten im Ärzteblatt ausgeschrieben. Dies geschieht aber nur dann, wenn der Versorgungsgrad unter 110 Prozent sinkt.“


Bezogen auf die Nachfolgeregelung für die Praxis Dr. Berger heißt es von Seiten der KVN: „In der Sitzung des Zulassungsausschusses Anfang Dezember wurde die Genehmigungen für zwei hälftige Anstellungen im Nachbesetzungsverfahren erteilt. Die Praxis wird also nachbesetzt, allerdings nicht am bisherigen Standort, sondern aufgeteilt auf zwei der bestehenden Kinderarztpraxen im Bereich.“


Ob es einen oder mehrere Interessenten von außerhalb gab, die die Praxis Berger in der Blumlage gern übernommen hätten, dazu äußert sich die KV nicht. „Die Verfahren vor dem Zulassungsausschuss der KV Niedersachsen sind nicht öffentlich. Insofern kann keine detaillierte Auskunft zum Verfahren und etwaig Beteiligten/ Nichtbeteiligten gegeben werden. Dazu müssten wir von allen Beteiligten eine Einverständniserklärung einholen“, antwortet die KV auf eine entsprechende Anfrage. Und auf nochmalige Nachfrage, ob man die Einverständniserklärungen nicht einholen könne: „Einverständniserklärungen holen wir grundsätzlich nicht ein. Das ist viel zu aufwändig.“


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