Ich habe den König gesehen. Naja, nicht ganz. Nur die Vorkehrungen, die für seinen Besuch in Berlin getroffen wurden. Die Absperrungen und Sicherheitskontrollen, die große Polizeipräsenz. Und die Menschen, die sich schon Stunden vor seiner Ankunft bereitwillig anstellten und durchsuchen ließen. Später konnten sie schaulustig und fähnchenschwenkend mit Pappkrone auf dem Kopf einen Blick auf diesen Menschen werfen. Vielleicht ein Wort mit ihm wechseln oder sogar die Hand des Königs schütteln. Diejenigen, denen das gelungen ist: ihr Leben lang haben sie etwas zu erzählen. In ihren leuchtenden Augen spiegelt sich der Glanz dieser Begegnung.
Spannend, dass sich manches über die Zeit nicht ändert. Wir sind jetzt in der Karwoche. Sie beginnt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. Beim Schlendern durch Berlin konnte ich nicht aus meiner Pastorinnen-Haut. Habe immer wieder darüber nachgedacht, wie das wohl damals in Jerusalem war. Jesus wird jubelnd empfangen, ohne Fähnchen und Metallgitter, dafür aber mit Palmzweigen und Kleidungsstücken. Sie werden wie ein roter Teppich vor ihm ausgebreitet. Menschen haben von ihm gehört, sein Ruf eilt ihm voraus. Sie wollen einen Blick auf ihn erhaschen, ihn eventuell berühren, von ihm gesehen werden, vielleicht ein paar Worte mit Jesus wechseln. So viel Hoffnung bringen sie mit, auf ein besseres Leben, auf eine gerechtere Welt.
In Berlin habe ich nicht gewartet. Ob ich damals in Jerusalem alles hätte stehen und liegen lassen für diese Gelegenheit? Hätte ich mir die Zeit genommen? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.
Hin und wieder rolle ich in meinem Alltag einen roten Teppich aus. Für die Menschen um mich herum. Indem ich mir Zeit zum Lesen, zum Spielen, zum Zuhören, zum Beten nehme. Oft sind gerade das die Momente, von denen ich lange erzähle. Die meine Augen zum Leuchten bringen, die Glanz in meinen Alltag tragen.
Vielleicht sollten wir genau solche roten Teppiche öfters ausrollen. Wer kommt Dir da in den Sinn? Geh behütet durch diese Woche.
Pastorin Christina Bernschein