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Ärger über das Einzelhandelskonzept: Eicklinger Nachbarn wollen Rewe nicht

Besorgt wegen des neuen Einzelhandelskonzepts: Karin und Bernd Geißler (links) sowie Markus Pöttner und Nadine Geißler wollen keinen riesigen Markt in direkter Nachbarschaft. (Foto: Frieling)
Besorgt wegen des neuen Einzelhandelskonzepts: Karin und Bernd Geißler (links) sowie Markus Pöttner und Nadine Geißler wollen keinen riesigen Markt in direkter Nachbarschaft. (Foto: Frieling)

EICKLINGEN. Als Bernd und Karin Geißler vor 30 Jahren ihr Haus im Eicklinger Moorweg bauen ließen, war ihnen klar, dass das Feld nebenan nicht ewig unbebaut bleiben würde. Doch statt der erwarteten weiteren Wohnhäuser soll dort jetzt ein großer Supermarkt entstehen. Das jedenfalls könnte durch das jüngst mit relativ knapper Mehrheit beschlossene Einzelhandelskonzept für die Samtgemeinde Flotwedel passieren. Diese Entwicklung sorgt bei der Familie für Unsicherheit, Angst - und Enttäuschung über das Gebaren von Kommunalpolitik und Verwaltungsbürokratie.


Täglich 1500 Autos mehr auf der Dorfstraße befürchtet


Auf einer Fläche von 1600 Quadratmetern soll an der Dorfstraße ein Rewe-Markt entstehen, fürchten Geißlers als Folge der kommunalpolitischen Entscheidung. Nur fünf Meter von ihrem Grundstück entfernt würde dort, wo jetzt noch ein Maisfeld auf die Ernte wartet, auf 42 Metern Breite und mit sechs bis sieben Meter hoher Außenmauer eine Markthalle hochgezogen. Kein schöner Ausblick von der Terrasse; die Lebensqualität im bislang beschaulichen Moorweg dürfte leiden. Geißlers und andere Anwohner fürchten zunehmenden Verkehr/Unfallgefahr durch Zuliefer-Lastwagen und Käufer-Pkw, Lärmbelästigung von frühmorgens bis spätabends, weitere Hochwasser-Probleme angesichts der Flächenversiegelung und den Wertverlust ihrer Immobilien. „1500 Kundenfahrzeuge werden pro Tag erwartet“, verweist Geißlers Tochter Nadine auf Informationen von Rewe selbst. Mit ihrem Mann Markus Pöttner wäre sie ebenfalls von den Veränderungen in der Nachbarschaft betroffen. „An vergleichbaren Orten sind Menschen nach Eröffnung eines solch großen Marktes weggezogen.“


Noch wächst nebenan der Mais, in wenigen Jahren muss Markus Pöttner vielleicht auf eine hohe Mauer blicken. (Foto: Frieling)
Noch wächst nebenan der Mais, in wenigen Jahren muss Markus Pöttner vielleicht auf eine hohe Mauer blicken. (Foto: Frieling)

Der Handelskonzern Rewe und der Hildesheimer Immobilienkonzern Hanseatic Group hätten vier Grundstücke in Eicklingen auf ihre Tauglichkeit als Geschäftsstandort geprüft, wissen die Anwohner. Die Entscheidung sei auf die Dorfstraße gefallen. Warum kein alternativer Standort? Die Sorgen der in Dorfstrasse, Moorweg und Schmiedekamp wohnenden Menschen seien von der Kommunalpolitik nicht ernst genommen worden. „Man hat uns in die seit eineinhalb Jahren laufenden Planungen überhaupt nicht einbezogen“, zeigt sich Karin Geißler erbost. „Wir wissen davon erst seit Mitte Juni, werden außen vor gelassen.“ Um überhaupt mitreden zu können, haben sich die Anwohner dann erst einmal in die Materie einarbeiten müssen: „Wir hatten keine Ahnung vom Baurecht.“


Kreis gibt Edeka keine Chance für Neubau


Und überhaupt finden die Betroffenen: „Wir hier in Eicklingen sind eigentlich versorgt.“ Der bereits seit langem ortsansässige Betreiber des Edeka-Marktes dränge seit mehreren Jahren auf die Genehmigung für einen größeren Neubau, was wegen der geplanten Lage (neben dem Netto-Markt) vom Landkreis abgelehnt werde. „Weil dann Kaufkraft von Wathlingen abgezogen würde“, schildert Rewe-Gegner Markus Pöttner die Begründung der Kreisverwaltung.


„Wir sind ganz am Anfang. In dem jetzt begonnenen Verfahren werden alle Probleme angesprochen“, müht sich Eicklingens Bürgermeister Jörn Schepelmann (CDU) um Beruhigung der aufgewühlten Stimmung in seinem Dorf. „Ich kann die Sorgen der dort wohnenden Anlieger verstehen.“ Mit dem Einzelhandelskonzept sei noch keine Empfehlung für oder gegen den Rewe-Bau in der Dorfstraße verbunden; das ganze Verfahren werde noch zwei Jahre dauern. Und doch: „Sie sagen in einem Satz: Es ist noch nichts entschieden, aber der Rewe-Markt kommt“, heißt es von den Gegnern.


Eicklingens Bürgermeister Jörn Schepelmann kritisiert das Landes-Raumordnungsprogramm, sieht zugleich aber auch die Notwendigkeit eines großen Markt-Neubaus wegen des sonst drohenden Kaufkraftverlusts. (Foto: Frieling)
Eicklingens Bürgermeister Jörn Schepelmann kritisiert das Landes-Raumordnungsprogramm, sieht zugleich aber auch die Notwendigkeit eines großen Markt-Neubaus wegen des sonst drohenden Kaufkraftverlusts. (Foto: Frieling)

Als Grund für die vertrackte Lage nennt Bürgermeister Schepelmann das niedersächsische Raumordnungsprogramm. Das Flotwedeler Einzelhandelskonzept folgt Kreisvorgaben und letztlich der Verordnung des Landesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Das Konzept soll die Samtgemeinde mit dem Bau eines großen Marktes gegen Kaufkraftverlust und Kundenabwerbung durch andere Kommunen schützen. Doch das Zentralisierungsgebot - die Vorgabe aus dem Landes-Raumordnungsplan, der zufolge Supermärkte ortsmittig gebaut werden müssen - , könnte in Eicklingen ins Gegenteil umschlagen und zur Zersplitterung der Standorte führen: Neben „Edeka“ am Standort Schmolkamp, „ Netto“ an der Braunschweiger Straße und dem im Konzept als Versorgungszentrum definierten Standort Mühlenweg käme dann mutmaßlich der Rewe-Markt in der Dorfstraße hinzu.


Raumordnungsplan führt zu widersprüchlichen Empfehlungen


„Die Idee hinter der Landesraumordnung mag ja gut sein“, sagt Nadine Geißler, „in der Praxis ist es die Verordnung aber leider nicht.“ Sie führe in den Kommunen zu durchaus widersprüchlichen Empfehlungen. Und so war auch die Zustimmung im Samtgemeinderat für das ganze 109 Seiten umfassenden Konzept mit 14 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und einer Enthaltung recht knapp. Die damit erfolgte Festlegung von Eicklingen als alleinigem Grundzentrum im Flotwedel ist nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Kommunalpolitik umstritten. Sie löst in Langlingen Sorgen um den dortigen Edeka-Markt aus und in Bröckel Angst um den Nahkauf – die kleinen Supermärkte in den Nachbargemeinden könnten durch einen neuen Konkurrenten mit 1600 Quadratmetern Verkaufsfläche Probleme bekommen. Zudem wird der Eicklinger Mühlenweg im Konzept als zentraler Versorgungsbereich genannt – obwohl dort nicht genug Platz für großflächigen Einzelhandel ist und dieser „Versorgungsbereich“ nach der Verlagerung von Edeka an die Bundesstraße (2015) seinem Namen mit Bäckerei und Bank nur noch teilweise gerecht wird.


Bürokratie siegt über Pragmatismus


Der von Edeka gewünschte Neubau, ebenfalls in der Dimension von 1600 Quadratmetern, direkt neben dem Netto-Markt an der Bundesstraße wird von der Celler Kreisverwaltung mit Verweis auf das Zentralisierungsgebot des Landesraumordnungsprogramms abgelehnt. So ist neben Netto zwar viel Platz ohne Nachbarschaft, aber Bürokratie siegt hier eben über Pragmatismus. Für eine Ausnahmeregelung durch die Kreisverwaltung sieht Schepelmann nach längerem Bemühen offenbar keine Chancen mehr.


Schepelmann verweist auf verändertes Einkaufsverhalten


„Das Raumordnungsprogramm ist gut gemeint, aber lebensfremd“, sagt auch Schepelmann, der mit seinen CDU-Kollegen im Samtgemeinderat aber trotzdem für das umstrittene Einzelhandelskonzept stimmte. Der Bürgermeister und Landtagsabgeordnete sieht dabei durchaus die „Probleme des Faktischen“: So habe sich das Einkaufsverhalten der Menschen verändert – raus aus der Dorfmitte: „Viele kaufen gern auf dem Weg zur Arbeit ein, also an der Bundesstraße.“ Und durch einen neuen Markt in der Dorfstraße würde die Ortschaft durch zusätzlichen Autoverkehr belastet  – eigentlich hört sich Schepelmann  im Gespräch mit CelleHeute auch wie ein Kritiker der neuen Planungen an.


Und trotzdem: Ihr - bis auf eine Enthaltung - geschlossenes Ja zum Einzelhandelskonzept begründete die CDU-Fraktion im Flotwedeler Samtgemeinderat damit, dass Eicklingen dem Einkaufs-Angebot umliegender Kommunen wie Wathlingen, Lachendorf oder Celle mit eigenem Vollsortimenter etwas entgegensetzen müsse, um die Abschöpfung von Kaufkraft zu verhindern. „Es wäre schade, wenn wir irgendwann zum Einkaufen nach Celle fahren müssen“, warnt Schepelmann.


„Wir hier in Eicklingen sind eigentlich versorgt“ - Gegner der Rewe-Neuansiedlung verweisen auf die bestehenden Märkte: „Edeka“ am Standort Schmolkamp, „ Netto“ an der Braunschweiger Straße. (Fotos: Frieling)

Die Argumente der Kritiker seien an den CDU-Ratsvertretern abgeprallt wie an Teflon, ärgert sich Nadine Geißler. „Niemand versteht, wie man ein Einzelhandelskonzept beschließen kann, das Widersprüche, fragwürdige Empfehlungen und Lücken aufweist“, wundert sich Rewe-Kritiker Markus Pöttner. „Das Einzelhandelskonzept ist vom Inhalt unbedeutend. Hauptsache, es ist da und kann beschlossen werden, um die Voraussetzungen für die nächste Phase zu erfüllen.“ Pöttner und andere Anwohner kritisieren, dass sie auf die Bauleitplanphase vertröstet würden, um Antworten auf ihre Sorgen und Fragen zu bekommen. In dieser nun erreichten Phase müssten ja schon gravierende Mängel und Gegenargumente in den Fachgutachten festgestellt werden, um den Standort in der Dorfstraße noch abzuwenden. „Das Vertrauen in die Politik ist bei den Bürgern beschädigt.“


Nun erwarten die Kritiker von der lokalen Politik wenigstens Transparenz im weiteren Verfahren. Und auch, sich beim befürchteten Rewe-Neubau wenigstens um ausreichenden Lärmschutz zu kümmern.

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